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33Neugründungen
nach 1900
sche, zweispaltige Erscheinungsbild einzufügen. In
der Kriegszeit gibt sich das Blatt, wie praktisch alle
Illustrierten, patriotisch. Papiermangel und wirt-
schaftliche Not setzen der Zeitung gegen Kriegsende
zu. Anfang Januar 1919 benennt sie sich in Illustrierte
Rundschau um, vergrößert das Format und erscheint
nun zweimonatlich. Längerfristig können diese Refor-
men das Blatt nicht retten, 1926 wird es eingestellt.
Im populären, auflagenstarken Billigsegment der
Illustrierten gibt es nach der Jahrhundertwende weit
mehr Bewegung als im gehobenen Sektor. 1912 wird
etwa die Österreichische Woche (Abb. 8) gegründet,
die jeden Sonntag erscheint. Sie ist ein typisches
Massenblatt und wirbt auf der Titelseite damit, „das
billigste illustrirte Blatt Österreichs“ zu sein.30 Das
Journal setzt auf äußerst populäre Sensationsbericht-
erstattung und berichtet wenig über Politik, sondern
vorzugsweise über Sport, Spektakel, Varieté, Reisen,
Unfälle, Katastrophen u. Ä.
Ebenfalls im Billigbereich der illustrierten Presse
angesiedelt ist die Wochenzeitung Das Neueste im Bil-
de, die zwischen 1914 und 1919 herauskommt.31 Die
erste Nummer erscheint am 3. September 1914, also
wenige Wochen nach Kriegsbeginn. Anders als die Il-
lustrirte Österreichische Woche strebt die Zeitung eine
seriöse Berichterstattung an. Das Blatt ist zwar eine
richtige Bilderzeitung, d. h. sie gibt der Fotografie
(und der Zeichnung) viel Raum, grafisch ist sie aber
sehr einfach aufgemacht. Aus Preisgründen verzich-
tet sie, so wie andere Billigillustrierte auch, auf den
aufwendigen Kupfertiefdruck, der sich vor dem Ers-
ten Weltkrieg durchzusetzen beginnt. Die Zeitung ge-
hört zum Konzern von Jacques Philipp, in dem auch
die den Christlichsozialen nahestehende Österreichs
Illustrierte Zeitung erscheint. Ihre inhaltliche Linie ist
patriotisch-konservativ. In den ersten Monaten nach
dem Krieg gerät die Zeitung, wie andere Zeitungen
auch, in ökonomische Turbulenzen. Inflation und Pa-
piermangel zwingen die Eigentümer Ende 1919 zur
Aufgabe. Am 24. Dezember 1919 erscheint die letzte
Nummer. Auf der Titelseite dieser Ausgabe findet sich
erstmals kein Bild, sondern eine Ankündigung der
Redaktion in großen Lettern: „Wegen Papiermangel,
bzw. wegen enormer Preissteigerungen muss ‚Das
Neueste im Bilde‘ derzeit eingestellt werden.“32 Ende Dezember 1914, wenige Monate nach Kriegs-
beginn, erscheint eine weitere billige illustrierte
Wochenzeitung, die Wiener Illustrierte Zeitung.33 Mit
dieser Neugründung versucht die „Gesellschaft für
Graphische Industrie“, die seit der Jahrhundertwen-
de einen expandierenden Verlag und ein modernes
Druckhaus in der Wiener Gumpendorfer-Straße be-
treibt, in die erste Liga der illustrierten Zeitungsver-
lage aufzusteigen.34 Als verantwortlicher Redakteur
tritt Sigmund Rosenbaum auf, der zunächst auch als
Leiter des Verlags und der Druckerei fungiert. Die Abb. 8 Österreichische Woche,
24.
September 1916, Titelseite.
Abb. 7 Wiener Mode, Heft 13,
1.
April
1914, Titelseite.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang