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48 Die Jagd nach Sensationen · Pioniere der Pressefotografie
in London und Paris gearbeitet. Perscheid ist ein ver-
sierter Fotograf, der ein sicheres Gespür für dramati-
sche Augenblicke hat. Er deckt ein breites Spektrum
an Themen ab, hauptsächlich spezialisiert er sich auf
politische und gesellschaftliche Ereignisse, hin und
wieder fotografiert er auch sportliche Wettkämpfe.
Es gelingt Perscheid, sein Unternehmen erfolgreich
durch den Ersten Weltkrieg zu manövrieren und – ne-
ben seiner eigenen fotografischen Arbeit im Kriegs-
gebiet – auch in Zeiten der Zensur und Kontrolle als
Kriegsfotograf und Fotoagent zahlreiche Zeitungen
zu beliefern. Tatkräftig unterstützt wird er dabei von
seiner Frau Anna Perscheid, auch sie ist ausgebildete
Fotografin, die den Fotohandel während der langen
Abwesenheiten des Mannes führt.19 Die Agentur be-
steht bis zum Jahr 1938.
Ebenfalls kurz vor dem Ersten Weltkrieg beginnt
das Unternehmen Kilophot den Handel mit Fotos. Der
1905 von Felix Leutner gegründete Betrieb speziali-
siert sich zunächst auf die Postkartenproduktion und
den Handel mit Fotomaterialien. Nach dem Ankauf
des renommierten Salzburger Fotoarchivs Würth-
le und Sohn im Jahr 1912 beginnt Kilophot mit der
Agenturtätigkeit.20 Mitte 1913 erscheinen erstmals
Agenturfotos mit dem Hinweis „Kilophot-Gesellschaft
m. b. H.“ in den Zeitungen. Während des Ersten Welt-
kriegs steigt das Unternehmen zur führenden öster-
reichischen Fotoagentur auf.21
In den 1890er Jahren ist die Reichweite der Foto-
berichterstattung in den Wiener Blättern im Wesent-
lichen noch auf die Hauptstadt und die nähere Um-
gebung beschränkt. Zwar werden gelegentlich auch Bilder aus anderen Städten oder aus dem Ausland ge-
druckt, aber es gibt noch kein funktionierendes eng-
maschiges Korrespondentennetz, ebenso wenig einen
übernationalen Handel mit Bildern. Um 1900 ändert
sich das. Wiener Fotoagenturen, wie etwa die bereits
genannte „Illustrations-Unternehmung C. Seebald“
bauen Kontakte zu ausländischen Bildlieferanten auf.
Auf diese Weise gelingt es, das Themenspektrum und
die geografische Reichweite der Bildberichterstattung
schlagartig auszuweiten. Um 1900 drängen die ersten
ausländischen Fotoagenturen auf den Wiener Markt.
Im Jahr 1900 erscheinen zum ersten Mal Fotos der
Berliner Fotoagentur Zander und Labisch (teilweise
unter dem Namen Zander und Labich bzw. Labiche).
Das Unternehmen wird 1895 von Albert Zander und
Siegmund Labisch in Berlin gegründet und ist die
erste professionell arbeitende Fotoagentur Deutsch-
lands.22 In den Jahren nach 1900 ist Zander und La-
bisch die rührigste deutsche Agentur in Österreich.
Aber auch andere internationale Lieferanten erobern
den österreichischen Markt. 1902 werden erstmals
Fotos amerikanischer und englischer Fotohändler
veröffentlicht, etwa von der Press Publishing Com-
pany, Underwood & Underwood und der London Ste-
reoscopic and Photographic Company, aber auch von
amerikanischen Zeitschriften wie Leslie’s Weekly und
Collier’s Weekly, die bereits vor der Jahrhundertwende
einen regen Fotohandel aufgebaut haben.
Innovative Impulse im internationalen Fotohandel
kommen aus dem angelsächsischen Raum. Aber auch
in Europa entwickelt sich nach der Jahrhundertwende
zunehmend ein übernationaler Handel mit Bildern.
Abb. 14 „Aus der Welt des
Scheins. Die Werkstätte für die
Costüme der Wiener Hofoper“.
Das interessante Blatt,
3.
April
1902, S.
7. Foto: R. Lechner
(Wilh.
Müller).
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang