Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Medien
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Page - 89 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 89 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

Image of the Page - 89 -

Image of the Page - 89 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

Text of the Page - 89 -

89Eine neue Ära beginnt Werkmann beherrscht das Handwerk der Bild- propaganda perfekt. Er sorgt dafür, dass die Medien nicht mehr von Karls Seite weichen. Zwei Fotografen, Ludwig und Heinrich Schumann, die beiden Söhne des bekannten Wiener Pressefotografen Heinrich Schuhmann sen., werden eigens abgestellt, um den Monarchen bei all seinen Reisen und Auftritten zu begleiten. Ein Großteil der Fotos, die von Kaiser Karl in der Presse erscheinen, stammt von ihnen, ge- kennzeichnet stets mit dem Hinweis „Photo. Brüder Schuhmann“.24 Wo der Kaiser auch auftaucht, sind stets Kameras und Filmoperateure dabei. Als im Juli 1917 eine Sondernummer der illustrierten Zeitschrift Sport & Salon herauskommt, schlägt die Imagekam- pagne, die Werkmann für seinen Kaiser organisiert, alle Rekorde. 141 Fotografien des Monarchen werden unter der Regie von Werkmann allein in dieser Zeit- schriftennummer untergebracht. Besonders wichtig, so argumentiert Werkmann im April 1917, sei die möglichst „rasche Dotierung der illustrierten Blätter“ mit Kaiser-Aufnahmen. „Wenn z. B. eine Allerhöchste Reise, wie die letzte Bozener Reise, am Montag Vormittag endet, so müssen die Kopien noch am gleichen Nachmittage bei den Wie- ner illustrierten Blättern sein, wenn sie am nächs- ten Sonntag veröffentlicht werden sollen. Eine Ver- schiebung der Veröffentlichung um weitere 8 Tage ist ganz unmöglich, da das zahlreiche jetzt auf allen Gebieten vorliegende aktuelle Bildermaterial das ei- gene Material erdrücken würde.“ Tatsächlich sei, so Werkmann weiter, der Erfolg dieser Anstrengungen bei der Presse so überwältigend, „daß seit vielen Wo- chen fast keine Nummer der österreichischen und ungarischen illustrierten Presse mehr ohne irgend- welche Bilder erscheint, in deren Mittelpunkt die Al- lerhöchsten Herrschaften stehen, und daß auch die ausländischen Blätter häufiger denn je solche Bilder reproduzieren.“25 Der Erfolg dieser propagandisti- schen Anstrengungen bleibt nicht aus. Ab Anfang 1917 ist das Kaiserbild allgegenwärtig. Karl ist in den knapp zwei Jahren seiner Amtszeit pausenlos unterwegs. Er besucht unterschiedliche Frontabschnitte und Städte im Hinterland, um die ermattende Moral der Truppen und der Bevölkerung zu stärken. Diese Kaiserreisen sind medial bis ins De- tail durchkomponiert. Die illustrierte Presse berichtet ausführlich über jede dieser Unternehmungen. Als Kaiser Karl Anfang Februar 1918 Innsbruck besucht, erscheint wenige Tage später ein Foto von seinem triumphalen Auftritt auf der Titelseite der Wiener Bilder (Abb. 16). Wir sehen den Kaiser im Auto, das von einer begeisterten Menschenmenge umringt ist. „Die treue Bevölkerung“, so heißt es unter dem Foto, „jubelt dem Kaiser zu.“26 Im März 1918, die Versorgungslage der Bevöl- kerung in den Städten der Monarchie ist in diesem Winter besonders katastrophal, die Hungersnot brei- tet sich aus, trifft der Kaiser in der kleinen böhmi- schen Stadt Graslitz (dem heutigen Kraslice) ein. Für die Kamera besucht er die Volksküche der Stadt, die der an Hunger leidenden Bevölkerung Ausspeisung anbietet, und löffelt Suppe aus einem einfachen Tel- ler. „Kaiser und König Karl versucht in der Graslitzer Volksküche die Suppe“, lautet der Bildtext, mit dem das Foto an die Presse geht. Tage später wird es unter dem Titel „Der Kaiser im böhmischen Notstandsge- biet“ in großer Aufmachung auf der Titelseite des In- teressanten Blattes gedruckt.27 Nach dem Besuch der Suppenküche schreitet Karl durch ein Spalier von Schaulustigen. Wieder ist der Kaiserfotograf Ludwig Schuhmann zur Stelle. „Die Jugend von Graslitz jubelt Kaiser und König Karl beim Verlassen der Kriegskü- che zu.“ So heißt es für die Presse.28 Eine neue Ära beginnt Im Herbst 1918 ist der Krieg zu Ende und das habsburgische Reich fällt innerhalb weniger Tage in sich zusammen. Und auch die Tage Kaiser Karls sind nun gezählt. Wie rasch sich das Kaiserimage Karls, das unter gewaltigem Propagandaaufwand errichtet wurde, in nichts auflöst, zeigt eine Szene, die Stefan Zweig in seiner Autobiografie überliefert. Am Nachmittag des 24. März 1919 erreicht der Zug, der den letzten habsburgischen Kaiser, seine Frau Zita und ein paar Familienmitglieder ins Schweizer Exil bringt, Vorarlberg. Zweig, der dem versprengten Grüppchen Habsburger zufällig auf dem Bahnhof von Feldkirch begegnet, erinnert sich an die seltsame Ab- schiedsszene: „Die Gendarmen, die Polizisten, die Sol-
back to the  book Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945"
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.