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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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206 Erzählende Bilder · Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit Der Einsatz neuer Apparate ist freilich bei genau- erer Betrachtung nur einer von vielen Faktoren (und gewiss nicht der wichtigste), die hinter den gestal- terischen Umbrüchen in der illustrierten Presse um 1930 stehen. Wichtiger ist beispielsweise der Einfluss des modernen Films, der in den 1920er Jahren große Schritte in Richtung innovativer Bilderzählungen macht. Vor allem die Regisseure der Avantgarde, die mit Großaufnahmen und atemberaubenden Monta- gefolgen arbeiten, geben der fotografischen Bildge- schichte wichtige Impulse. Das gilt insbesondere für den innovativen Reportagefilm deutscher und sowje- tischer Herkunft. Die filmische Reportage zeichnet sich darüber hi- naus durch die künstlerisch gestaltete Hinwendung zur alltäglichen Wirklichkeit aus. „Die Reportage“, schreibt der österreichische Fotograf Kurt Husnik 1933 in seinem von Béla Balász inspirierten Beitrag „Das Kinoauge als Reporter“, „nimmt als Film eine Sonderstellung ein, da sie keine Fabel oder eine zu- sammenhängende Begebenheit schildert, sondern nur das Ding an sich, losgelöst von seiner Umwelt. Der Reportagefilm sucht nicht in der Begebenheit, sondern nur in der Erscheinung seinen Stoff. Sein Ausdrucksmittel ist die rein optische Sprache des Films, und hat der Künstler die Möglichkeit, die Ka- mera nicht bloß zu illustrieren, sondern selbst dich- ten zu lassen.“9 Er weist darauf hin, dass die moderne Reportage im Film wie in der Fotografie die Dinge des Alltags in ein neues Licht rückt, dass sie dazu beiträgt, unsere nächste Umgebung auf neue Wei- se zu betrachten: „Die Gabe der Beobachtung führt dazu, die Sprache selbst der unscheinbarsten Dinge zu verstehen und im Photo und (im) Film haben wir das Resultat vor uns: die Reportage der unbekannten Nähe unserer Umwelt.“10 Neben dem Film spielt für die Fotoreportage neu- en Stils der Text eine große Rolle. Er verabschiedet sich immer öfter von der alten informierenden, oft belehrenden Zeitungsprosa, der die Einzelbilder bloß kommentiert und einordnet. Stattdessen wird er er- zählender und feuilletonistischer. Er hat die Aufgabe, die Bilder zu Geschichten zu verbinden und diese mit einer Dramaturgie zu versehen. Immer öfter schrei- ben nun auch bekannte Feuilletonautoren Beiträge zu Fotoreportagen. Ein Beispiel von vielen ist Karl Tschuppik, geb. 1876 in Böhmen, der in der Zwi- schenkriegszeit in Berlin und Wien lebt. Er schreibt Anfang der 1930er Jahre einige gute Bildgeschichten zu Österreich-Fotoreportagen, die Felix H. Man im Auftrag der deutschen Fotoagentur Dephot zusam- menstellt und die in der Münchner Illustrierten Presse veröffentlicht werden .11 Neu ist, dass in den 1930er Jahren vermehrt auch Frauen die Texte zu den Fo- toreportagen schreiben: in den Wiener Bildern etwa Etta Donner, Marianne Feigl, Marianne Heimler und Hilde Leitner, im Wiener Magazin Rosa Wachtel und im Sonntag Gusti Skall.12 Ende der 1920er Jahre führen auch ökonomische Umbrüche auf dem Markt der illustrierten Presse zu einer Neuausrichtung der Bildberichterstattung.13 Ab Mitte der 1920er Jahre kommt es zu einem Aufla- genboom und zugleich zu einem erbitterten Wettbe- werb auf dem Pressemarkt. Neben den klassischen Wochenillustrierten bieten nun auch einige illust- rierte Wochenendbeilagen von Tageszeitungen, vor allem aber die neu gegründeten, meist monatlich erscheinenden Gesellschafts- und Kulturmagazine Bildgeschichten an. Zudem drängen in den 1920er Jahren zunehmend professionell gestaltete deutsche Illustrierte nach Österreich. Die führenden Wochenil- lustrierten Das interessante Blatt und die Wiener Bil- der beginnen angesichts dieses Drucks ebenfalls ihre Gestaltung allmählich zu verbessern und aufwendi- ger konzipierte Bildgeschichten in Auftrag zu geben. Die moderne Fotoreportage, die in den Augen der Fotopioniere 1929 fast wie vom Himmel zu fallen scheint14, ist also in Wirklichkeit das Ergeb- nis komplexer Veränderungen im Mediensektor. Sie ist ein Produkt vielschichtiger Einflüsse und Wechselwirkungen. Die wichtigsten Anregungen für die österreichische Fotoreportage kommen aus Deutschland, wo bereits etwas früher, ab 1928/29, neue Formen der Bilderzählung entwickelt werden. Zeitungen wie die Münchner Illustrierte Presse und das Frankfurter Illustrierte Blatt, experimentieren schon 1928 mit der Fotoreportage neuen Stils.15 In- novative Fotoagenturen wie Weltrundschau (1927 gegründet), Dephot (1928 gegründet) oder Mauriti- us (1929 gegründet) bieten neben Einzelbildern nun
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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