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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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292 Experiment und Bewegung · Tanzschritte in eine neue Zeit Mimik und Tanz an der Akademie für Musik und Dar- stellende Kunst, 1922 eröffnet sie eine eigene Schule und ist in den folgenden Jahren auf Tournee in ganz Europa unterwegs. Sie gehört zu den wenigen Tän- zerinnen, die neben ihrer Arbeit auf der Bühne auch eine beeindruckende publizistische Selbsteinschät- zung geliefert hat. Bereits zu Beginn ihres Erfolges blickt sie auf ihre noch kurze, aber steile Karriere zurück. In einem Beitrag für die Zeitschrift Moderne Welt benennt sie im Frühjahr 1922 Vorbilder, Künst- lerfreunde und konkrete ästhetische Bezugspunkte ihrer Kunst: „Ich tanzte nach der Musik von Korngold und Debussy, von Scriabine und Scott und versuchte, ihre erregenden Rhythmen, ihre tief aufwühlenden Dissonanzen oder ihre groteske Komik in meinen Be- wegungen wiederzugeben. Wenn es die Musik war, von der ich meine entscheidenden Anregungen er- hielt, so war es die Malerei nicht minder, und Maler waren es auch, die meine ersten Schritte in die Öf- fentlichkeit leiteten. Vor allem Franz von Bayros, der große, fein fühlende Künstler, der mir nicht allein nur dadurch half, dass er mir in der verstehendsten Wei- se ergänzende Gewänder zu meinen Tänzen schuf, sondern mir auch immer Mut zusprach, meine Ideen ohne Zugeständnisse und Kompromisse zu verwirk- lichen. Als ich meine Kostüme fertig hatte, führte ich meine Tänze einem Kreis junger Maler, die sich unter dem Namen ‚Neue Vereinigung‘ zu einer Gruppe zu- sammengeschlossen hatten, vor. Sie fühlten, wie sie selbst sagten, Verwandtes in meiner Art zu tanzen heraus und luden mich ein, meinen ersten Wiener Tanzabend im Frühling 1919 in ihrer neueröffneten Ausstellung abzuhalten. Das war mein selbständiges Debüt in Wien und der eigentliche Beginn meiner Laufbahn. Und so wurde ich, als was ich mit einem vielumstrittenen, vielmißbrauchten Wort bezeichnet zu werden pflege: eine expressionistische Tänze- rin.“14 Einige Jahre später, Bodenwieser ist internatio- nal längst etabliert, meint sie: „Kampf, Leidenschaft, dionysisch gesteigertes Lebensgefühl, aber auch Chaos, Grauen und Entartung möchte ich in den Tänzen ohne Rücksicht auf die ästhetische Linie, vielleicht gerade darum mit umso packenderer Wucht, gebracht sehen. (…) So trachte ich, die Tanzkunst in engsten Zusammenhang zu bringen mit der großen geistigen Strömung unserer Epoche, dem Expressionismus, zu dem ich mich durchaus bekenne.“15 (Abb.  9) Gertrud Bodenwieser ist in den 1920er und 1930er Jahren die wohl bekannteste Vertreterin des neuen Tanzes in Wien. Neben ihr und Grete Wiesenthal gibt aber zahlreiche andere wichtige Protagonistinnen des modernen Tanzes. Viele der Bodenwieser-Schülerin- nen, unter anderem Grete Groß (Abb.  10), Gertrud Kraus, Hilde Holger, Gisa Geert, Lisl Rinaldini, Trudl Dubsky, Erika Hanka und Cilli Wang, machen eben- falls Karriere und gründen teilweise eigene Schulen und Ausbildungsinstitute.16 In den 1920er Jahren entsteht auf diese Weise in Wien ein weitverzweigtes Laboratorium für experimentelle Bewegung. Wäh- rend ein Teil der Tänzerinnen sich eindeutig in die Tradition des Expressionismus stellt, folgen andere Bewegungskünstlerinnen anderen Richtungen. Rosa- lia Chladek etwa, geb. 1905 in Brünn, absolviert ihre Ausbildung in der Tanzgruppe Hellerau-Laxenburg, deren Ursprünge auf die Lebensreformbewegung zu- rückgehen.17 In den 1930er Jahren übernimmt sie die Leitung der Tanzschule in Laxenburg. Aus einer ähn- lichen Tradition kommt der Lehrer und Choreograf Rudolf Laban, der regelmäßig in Wien zu Gast ist. Be- kannt ist auch die russische Tänzerin Ellen Tels, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg Gastspiele in Wien gibt und dort 1920 eine innovative Tanzschule grün- det. Zu ihrem Ensemble gehört die legendäre Tänze- rin Mila Cirul.18 Ende der 1920er Jahre öffnen sich allmählich auch die staatlichen Institutionen dem Abb.  8  Die  kurdische  Tänzerin  Leila  Bederkhan,  bekannt  für  ihre  orientalischen  und  expressiven  Tänze,  tritt  in  den  1920er  Jahren  regelmäßig  in  Wien  auf.  Wiener Mode,  Heft  18,  September  1924,  S.  14.  Foto:  Max  Tanner.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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