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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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373Protagonisten der Heimatfotografie künstlerischer Blick das Fruchtbarste versucht hat, das es bei einer solchen Aufgabe gibt, nämlich nichts anderes als den geheimen ‚künstlerischen‘ Blick- punkt der Natur aufzufinden und dann von dort aus die Menschen ohne jede Verfälschung so darzustel- len, wie sie eben sind, solche Bilder zeigen nicht das ‚Gesicht der Landschaft‘, mit welchem Titel man oft dem Reisenden eine recht leere Sammlung von Bil- dern der Gegenden anpreist, durch die ihn der Zug trägt. Sondern die Landschaft ist wirklich auf eine magische und ergreifende Art mit den Menschen zusammengewachsen, in ihren Körper gestiegen. In den Blicken, in den Gesichtern und Gestalten unse- rer Abbildungen ist also Österreich und die ganze Vielfalt seiner Berge und Täler, ist Dunkelheit und Helle, Schönheit und Gefahr seines Lebens in reiz- voller Art zu finden. Das klug gelenkte Objektiv des Photographen zeigt Landschaft und Menschen dort, wo sie am stärksten wirken: in ihrer untrennbaren Gemeinschaft.“18 Als das Österreichische Museum für Kunst und In- dustrie Anfang 1936 eine große Koppitz-Ausstellung zeigt, ist der Fotograf auf dem Höhepunkt seines Ruh- mes angelangt. „Land und Leute“, so heißt die Schau, steht programmatisch für die politisch gewollte Akzentverschiebung hin zur Heimatfotografie.19 Gezeigt werden rund 500 Aufnahmen aus fast allen österreichischen Bundesländern und Reisebilder aus Ungarn, Rumänien und Italien. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die ländliche Welt und nicht die Stadt, Bauern und nicht Arbeiter, die Tracht und nicht der Alltag. Rudolf Koppitz stirbt im Juli 1936, wenige Monate nach dem Ende der Schau. Seine Rezeption als heimattreuer Fotograf ist damit aber nicht been- det, im Gegenteil. Er wird in den kommenden Jahren häufig ausgestellt und seine Bilder finden in Presse und Büchern weiterhin große Verbreitung.20 Ein Koppitz-Anhänger, der dem Fotografen ein reiches publizistisches Nachleben beschert, ist Karl Pawek, Herausgeber der konservativen illustrierten Kulturzeitschrift Die Pause, die ab 1935 erscheint. Sie etabliert sich als publizistisches Forum des „Stän- destaates“, das die Errungenschaften der Moderne (etwa in Typografie und Layout) mit einem konserva- tiv-reaktionären Gesellschafts- und Staatsbild verbin- det.21 Pawek veröffentlicht in den folgenden Jahren immer wieder Koppitz-Bilder in der Pause, bewusst stellt er den Heimatfotografen Koppitz ins Zentrum. Dessen ländliche Idyllen passen sehr gut ins Konzept einer staatstragenden Publikation, die neben Kunst, Architektur und Geschichte viel Folklore, Volkskultur und ländliches Leben präsentiert. Fast immer wird der Mensch als Einzelner oder in der Familie gezeigt, nie in der Masse, in der Fabrik oder in der Stadt. Die Wirklichkeit der Großstadt Wien wird in der Zeit- schrift vollkommen ausgeblendet. Protagonisten  der  Heimatfotografie Rudolf Koppitz ist einer von zahlreichen österrei- chischen Heimatfotografen, deren Karrieren in den 1930er Jahren steil nach oben weisen. Wenn man Koppitz im Umfeld der österreichischen Heimatfo- tografie einordnet, muss man ihn wohl als eine Art Übergangsfigur sehen, als einen Fotografen, der ei- nen längeren Weg von der Stadt hinaus aufs Land zurückgelegt hat und dessen politische Programma- tik – trotz seiner offensichtlichen Sympathien für den christlichsozialen „Ständestaat“ – nicht immer ganz eindeutig auf den Punkt zu bringen ist. Ande- re Fotografen dagegen wenden sich schon früh und fast ausschließlich Landschafts-, Bauern-, Berg- und Trachtenbildern zu. In den 1930er Jahren schlagen sie sich weit eindeutiger auf die Seite der herrschen- den Regierungsideologie. Unter ihnen sind die Tiroler Fotografen Adalbert Defner (Abb.  11), Simon Moser, Wilhelm Angerer und Peter Paul Atzwanger (Abb.  12), der, ebenso wie Koppitz, an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien unterrichtet. Bekannt werden sie auch durch ihre Bildbän- de, die teilweise erst nach 1938 erscheinen. Simon Moser bringt seinen Fotoband Deutsche Bergbauern 1940 heraus, Wilhelm Angerer die Publikation Es rauscht ein Lied von den Bergen im Jahr 1942. Auch Stefan Kruckenhauser reiht sich ein in die Gruppe der Heimatfotografen. Er wird ab 1937 mit Buchpu- blikationen bekannt, etwa mit dem Band Du schöner Winter in Tirol, 1938 erscheint sein Bildband Verbor- gene Schönheit.22 Die junge Fotografin Lucca Chmel fotografiert 1936 im Auftrag des Salzburger Fremden-
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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