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Heiligtümer in anderen Provinzen Chinas. Als staatlich anerkannte religiö-
se Institutionen posten sie häufig auf ihren o"ziellen Konten auf WeChat,
dem größten Instant-Messaging-Dienst mit sozialem Netzwerk in China.
Manchmal übertragen sie Rituale wie Richtfeste von Hallen auch live.
Trotzdem lag der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten bis zur Corona-Zeit auf
O&ine-Ritualen in ihren jeweiligen Standorten. Soziale Medien wurden
vor allem in Anspruch genommen, um buddhistische Kultur zu verbreiten
und den Kontakt zu Laien-Buddhist:innen zu stärken. Die Pandemie än-
derte dies: In dieser neuen Situation haben sich religiöse Institutionen
zum ersten Mal bei Ritualen stärker auf Online-Medien verlassen.
Im Folgenden werden als Beispiele zwei Tempel in Shanghai vorgestellt,
die während der Corona-Krise soziale Medien nutzten. Dabei wird aufge-
zeigt, wie sich heiliger Raum durch die Verwendung dieser Medien wan-
delt.
Heiliger Raum und soziale Medien
Seit dem 16. Februar 2020 veranstaltete der Jadebuddha-Tempel, eines der
drei bedeutendsten buddhistischen Heiligtümer in Shanghai, regelmäßige
Sutra-Lesungen, die sich jeweils über sieben Tage erstreckten. Drei Tage
vor einer Lesung wurde der Zeitplan als WeChat-Benachrichtigung gepos-
tet. Dabei wurde ein genauer Zeitraum für jedes Kapitel der buddhisti-
schen Schri#en sowie für die Gebete um karmische Verdienstübertragung
(Sanskrit: Pari
āmanā ᩵ឨ) festgelegt, sodass Gläubige zu Hause die
Schri# selbst lesen konnten. Mönche im Tempel rezitierten gleichzeitig
dasselbe Kapitel, dessen Hauptinhalt – und manchmal auch Fotos der Ze-
remonie – täglich auf WeChat gepostet wurde.
65 Kilometer vom Jadebuddha-Tempel entfernt steht der Xupu-Tempel
䑼ヽ≶. Dabei handelt es sich um ein von Feldern umgebenes Heiligtum
mit geringer Popularität im Vorort von Shanghai. Traditionellerweise or-
ganisiert der Tempel am Ende jedes Monats ein Sādhana-Ritual ᔈᎅ, bei
dem sich Gläubige in dieser religiösen Stätte versammeln und gemeinsam
im Zeitraum eines Jahres ein langes Sutra lesen und studieren. Während
der Krise entschied sich der Tempel, diese Veranstaltung ins Internet um-
zuziehen. Da die Termine der buddhistischen Feste in China nach dem
traditionellen chinesischen Lunisolarkalender berechnet werden, wurde
das erste Sādhana-Ritual im Jahr 2020 am 6. Tag nach dem chinesischen
Neujahr (das heißt am 30. Januar 2020 nach dem gregorianischen Kalen-
der) auf TikTok (einem Portal für kurze Videoclips und Live-Streamings
mit Funktionen eines sozialen Netzwerks) in Echtzeit übertragen. Gläubi-
Leere Tempel, volle Livestreams in China
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Title
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Paradoxien einer Krise
- Author
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Editor
- Anna-Katharina Höpflinger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 134
- Categories
- Coronavirus
- Medien
Table of contents
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133