Page - 107 - in Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Erhaltung (und die mögliche Erweiterung) der Maßnahmen das «Ende der
Menschheit» einläute.
Jeder Tag des verordneten Stillstands mag also nicht nur ein Tag auf
dem Weg zur Überwindung der Pandemie, sondern auch ein Tag auf
dem Weg zum Ende der Menschheit sein.
Zum Schluss beteuert Gumbrecht, dass eine Kombination aus fehlenden
Informationen und einem erstarkenden Notstandsstaat zu Krisen führen
werde.
Eigentlich beschreibt dieser Autor nichts anderes als eine Art säkularer
Eschatologie, in der die Menschheit, die sich einschränken lässt, vor einer
möglichen Katastrophe stehe, die nur durch Überdenken und kritischen
Blick gegenüber dem Notstandsstaat verhindert werden könne. Um die
Katastrophe abzuwenden, soll ein Tabu gebrochen werden: ein Teil der Be-
völkerung, vornehmlich ältere Menschen, sollen für eine stabile Zukun#
geopfert werden.
«Denk an die Freiheit, die dir gehört»
In der gleichen Tageszeitung äußerte sich auch Xenia Tchoumi in einem
Beitrag mit dem Titel Wenn dir dein Leben gerade wie ein Zombie-B-Movie
vorkommt: Denk an die Freiheit, die dir gehört. Nach der Aufzählung einiger
geschlossener Geschä#e bezeichnet die Autorin die Situation im April als
prekär. Dabei spricht sie von Dystopien und Überwachung. Die Auswir-
kungen der Einschränkungen werden beschrieben und der Verlust der
Freiheit, die hier mit unbegrenzten Reise- und Konsummöglichkeiten
gleichgesetzt wird, hervorgehoben.
Ich bin an meine Freiheiten gewöhnt. Ich mag es, rasch in ein Flug-
zeug zu steigen, so wie ich am Morgen in den Bus springe – um dort-
hin zu gehen, wo immer ich gerade will.
Die Einschränkungen im Lockdown würden nicht nur Verschwörungs-
theorien begünstigen, sondern die Gestaltung der persönlichen Freiheit re-
duzieren. Obwohl schließlich in der Pandemie auch Chancen lägen, müss-
ten sich die Lesenden mit der Frage beschä#igen, auf die die gesamte Ar-
gumentation hinzielt: Wird es nach der Pandemie wieder Freiheit geben?
Tchoumi ist der Ansicht, dass nur durch den Kapitalismus Freiheit ge-
währleistet werden kann; dieser Wirtscha#sform spricht sie eine heilbrin-
gende Wirkung zu: Erlösung durch Kapitalismus
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Title
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Paradoxien einer Krise
- Author
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Editor
- Anna-Katharina Höpflinger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 134
- Categories
- Coronavirus
- Medien
Table of contents
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133