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Zipper und sein Vater
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Sie raufte sich die Haare. Zum erstenmal sah ich Blut in ihr Gesicht steigen. Sie wurde schön. Zum erstenmal nach zwanzig Jahren wurde sie wieder schön. Da schwieg Zipper. Arnold meldete sich nicht, und der Alte meldete sich auch nicht. Aber jedesmal, sooft ich mit dem Herrn Zipper zusammentraf, hielt er folgenden Vortrag: »Wir ziehen uns zurück, wir lassen die galizische Ebene den Russen. Wir teilen uns, wir werden zwei Fronten bilden. Vom Norden und vom Süden werden wir die Russen packen, verstehen Sie, in einer Zange!« Er krümmte Zeige- und Mittelfinger, spreizte sie und schloß sie wieder. »Indessen wird im Westen Paris erobert. Die Franzosen unterwerfen sich, denn wenn sie noch länger warten, werden sie im Süden von Italien angegriffen. Dann wirft Wilhelm die ganze Armee nach dem Osten. In drei Monaten ist der Zar vernichtet. Die ganze Kunst besteht heutzutage darin, den Feind zu umzingeln. Mit möglichst wenig Truppenmaterial umzingeln! Außerdem muß man die richtige Balance halten zwischen Offensive und Defensive.« Jeden Tag las Zipper alle Zeitungen. Er vernachlässigte sogar das Sechsundsechzig. In seinem Stammcafé war er einer der glühendsten Patrioten. Einige begannen sich über ihn lustig zu machen. Er wurde wild. Er drohte, den und jenen anzuzeigen. Man zog sich zurück. Die Zweifler grüßte er nicht. Mit seiner Frau sprach er nicht mehr. Auch seine kleinen Scherze gab er auf. Wie lange war es schon her, seitdem er seinen Chronometer hatte läuten lassen! Wie lange war es her, seitdem er zum letztenmal im Zirkus gewesen war! Nur in die Theater ging er noch. Selbst seine einflußreichen Freunde vernachlässigte er, Polizeiinspektoren verachtete er. Was taten sie? Sie blieben zu Hause. Sie drückten sich! Sie »tachinierten«! Der Sekretär war eingerückt, zur Feldpost. Seine seltenen Karten waren Zippers abendliche Zerstreuung: »Ich bin neugierig, wo diese Feldpost 106 steckt! Das ist doch ein kluges System. Nur Nummern – und die drüben wissen schon, wo es hingehört. Und dabei geht sicher nichts verloren. Organisation ist eine großartige Sache. Nie hat die Post im Frieden so gut funktioniert!« Der Salon stand leer. Frau Zipper hängte einen Zettel an das Haustor: Zimmer für soliden Herrn zu vermieten. Herr Zipper entfernte den Zettel wieder. Er trat mit ihm am Abend ins Haus, hielt ihn mit zwei Fingerspitzen hoch, wie ein ekelhaftes Gewürm, und sagte: »Meine Frau hängt gerade jetzt den Zettel heraus! Jetzt sucht sie, erstens, 30
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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