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Zipper und sein Vater
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Page - 32 - in Zipper und sein Vater

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Cäsar in Uniform. Arnold konnte, sollte und mußte Offizier werden. Also kümmerte sich der alte Zipper um seinen Sohn Cäsar überhaupt nicht. Cäsar wohnte in der Kaserne, kam nur einmal nach Haus, einen Tag, bevor seine Marschkompanie ins Feld ging. Er betrank sich, lag achtzehn Stunden auf dem Sofa und schrie aus dem Schlaf. »Ein schöner Held, ihr Sohn!« sagte der alte Zipper. Am Abend holte uns der alte Zipper von der Einjährigenschule ab. Er trank ein Glas Bier mit unserm Feldwebel. Eines Tages, es war ein nebliger Novemberabend, das Licht der kriegsmäßig reduzierten Laternen sah aus wie in Watte verpackt, standen wir fünf Minuten vor der Schule und warteten auf den alten Zipper. Er kam nicht. Plötzlich tauchte vor uns ein Feldwebel auf, ein kleiner Feldwebel. Wir salutierten. Da lachte der Feldwebel. Es war der alte Zipper. Er hatte sich freiwillig gemeldet. Oh, wie schön sah er aus! Er trug eine Extrauniform, seine Goldborten glänzten, sein teefarbener Schifferbart war verschwunden, nur sein kleiner, grauer Schnurrbart, auch er stark reduziert, war übriggeblieben. In der prallen Uniform sah man deutlich, daß der alte Zipper einen Bauch hatte und daß er sich in den Hüften wiegte, wenn er ging, und daß er mit den Füßen stark nach auswärts trat. Er ließ uns ein paarmal auf der Straße salutieren. Wir gingen mit ihm in ein Wirtshaus, und er erzählte alte Geschichten von seinem Regiment. Jetzt war er im Landsturm, und weil er etwas Tschechisch verstand, kam er nach einigen Tagen in die russische Zensurabteilung. Er sollte die Briefe an russische Kriegsgefangene prüfen. Er konnte sie aber nicht lesen. Er fing an, Russisch zu lernen. Indessen häuften sich auf seinem Tisch die Briefe. Er verteilte sie unter seinen Untergebenen und lernte fleißig Russisch. Er ließ sich photographieren: am Schreibtisch, die Briefe, die er nicht lesen konnte, in zwanzig sortierten Päckchen vor sich; mit Mütze, Überschwung und Säbel; mit Arnold, dem Einjährigen; mit Arnold und mir; mit Arnold zu Hause; mit Arnold auf der Straße. Alle Bilder hingen im Salon. Dann gingen wir ins Feld, er begleitete uns zur Bahn. Er begann zu winken, bevor der Zug abging. Der Zug stand nämlich noch nicht auf dem richtigen Geleise. Man verschob ihn oft. Immer, wenn ich dachte, jetzt wäre der alte Zipper schon zu Hause, erschien er wieder. Weil er ein Feldwebel war, konnte er bis in die fernsten Güterbahnhöfe vordringen, während alle andern den ersten Bahnsteig schon verlassen mußten. So froh wie damals, als wir in den Tod gingen, hatte ich den alten Zipper noch nie gesehen. Als unser Zug schon endgültig abrollte, erschien er noch einmal, lief neben dem Waggon her, ein Zeitungsblatt in der Hand, und rief uns nach: »Sieg bei Lublin!« 32
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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