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Zipper und sein Vater
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einzigen führte er mit sich. Es war ein altes Felleisen aus braunem Leder, der Deckel und der Boden waren harmonikaartig gefaltet. Auf dem Sofa lag sein Hut – er legte ihn niemals im Vorzimmer ab. Und es war wirklich ein großer, breitrandiger Panamahut. »Sehr erfreut!« sagte er in einem fremden Deutsch, als er mir zum erstenmal die Hand gab, eine entsprechend große, warme, trockene Hand. Dann erkundigte er sich nach dem Krieg in einem Ton, in dem man sich nach der Ernte erkundigt oder nach dem Ausgang einer interessanten Veranstaltung. Er hätte wichtigere Dinge zu Hause gehabt, das Vieh, die Ernte und die Knechte beanspruchten sehr viel Zeit. Wäre er reich gewesen und sorglos, dann wäre er vielleicht herübergekommen, um an dieser oder jener Seite zu kämpfen. Aufrichtige Bewunderung zollte er den drei eisernen Ringen Zippers. Einen Aschenbecher aus einem Schrapnell, das Arnold mitgebracht hatte, gedachte er, nach Brasilien zu nehmen. Den samtenen Sessel, auf dem Cäsar gesessen hatte, betrachtete er ein paarmal täglich. Er fühlte nicht, daß Zippers Herz stillstand, er sah nicht, wie Zippers Augen groß wurden und sein Blick fern (ein Blick, der in die weiten Gefilde des Schmerzes wandert) – wenn er den Sessel beklopfte, umdrehte und mit einer gleichgültigen Stimme sagte: »Also hier hat Cäsar gelebt, ein Sessel hat ihm genügt. Als ich das letztemal hier war, war ihm die ganze Stadt nicht groß genug. Kein Wunder, daß man in diesem Sessel verrückt wird.« Jeden Tag, wenn die Zeitung kam, fragte der Farmer: »Sind Bilder heute drin?« Denn er glaubte, unsere Zeitung erscheine heute illustriert und morgen nur mit einem Text, weil ihr Photograph zufällig geschlafen hat. »Schlecht sind eure Virginier geworden«, sagte er mitten im Rauchen, und er zerkrümelte die teure Zigarre, für deren Stummel ihm der alte Zipper dankbar gewesen wäre. Eine unbändige Vergnügungssucht trieb ihn an alle Orte, wo man musizierte, tanzte, Theater spielte. Für die Stunden, die er zu Hause blieb, kaufte er ein Grammophon, das er den Zippers zurückzulassen versprach. Nach dem Essen legte er sich auf das Sofa, auch wenn ich da war. Dann sah ich, wie sein Blick im Zimmer herumirrte, auf Menschen und Gegenständen haften blieb, als suchte er etwas, dessen Abbild er in den Schlaf herübernehmen wollte. Schließlich blieb er auf dem roten Sessel kleben, wurde selig-gefälligschläfrig, und die Augenlider des Farmers schlossen sich. Ich bemerkte an dem Farmer einige ungebräuchliche Wendungen, er sprach gewissermaßen in einem eigenen Stil. Gefiel ihm etwas, ganz gleichgültig, ob es ein Mann, eine Frau, ein Vorgang, eine Sache war, so sagte er: es wäre gemütlich. Er konnte sagen: die Suppe sei gemütlich, ich sei gemütlich – denn es schien, daß ich ihm gefiel –, der Aschenbecher aus dem Schrapnell sei 43
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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