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Zipper und sein Vater
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Page - 49 - in Zipper und sein Vater

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Hof, hat Gitter vor den Scheiben, auf der anderen Seite sind auch Büros, der Hof ist langweilig sauber, es ist streng verboten, Papierschnitzel, Asche, Zigaretten hinunterzuwerfen. Aber der Tisch des andern Beamten, der in der Nähe des zweiten Fensters sitzt, muß in gerader Linie mit meinem stehen. Ich war fünf Minuten draußen. Als ich zurückkam, stand mein Schreibtisch wieder dort, wo er vorher gestanden war. Die beiden Alten haben ihn zurückgeschoben. Sie haben Seife, Nagelbürste und Handtücher im Schrank. Sie waschen sich die Hände, bevor sie weggehen. Ich kann mir dort nicht die Hände waschen. Ich bin froh, wenn ich fort bin, ich gehe mit schmutzigen Händen nach Hause. Infolgedessen kann ich das Amt früher verlassen als die beiden. Ich sage ›Guten Abend!‹ – sie antworten nicht. Ich gehe weg. Von der Stiege ruft einer: ›Herr Zipper!‹ – Was ist los? – Ich soll den Schlüssel morgen früh nicht beim Portier, sondern auf Zimmer 25 im zweiten Stock abholen, wenn ich zufällig früher kommen sollte. Der Dienst beginnt um neun Uhr. Ich komme fünf Minuten vor neun. Die beiden sind schon da. Einmal versuche ich, um dreiviertel neun zu kommen. Am nächsten Tag sind sie schon um halb neun im Amt. Ich habe dienstlich nichts mit ihnen zu tun. Sie sind nicht meine Vorgesetzten. Aber wenn ich mit einem Schriftstück fertig bin, kommt immer einer von den beiden zu meinem Schreibtisch und sagt: ›Sehr schön, Herr Zipper.‹ Sie wagen nicht, mich zu tadeln, aber sie haben eine tückische Methode gefunden: sie demütigen mich durch Lob. Manchmal beginnen sie ein allgemeines Gespräch über die Jugend von heute. Jeder junge Mann glaube, weil er im Krieg gewesen sei, er sei klüger als die Alten. Einmal konnte ich mich nicht enthalten, ihnen zu sagen: ›Ihr habt uns ja selbst in den Krieg geschickt!‹ Und ich dachte dabei an meinen Vater. Erinnerst du dich, wie er eines Tages in der Uniform vor der Einjährigenschule stand? Übrigens, mein Vater: ich kann gar nicht mehr zu Hause essen. Er hat tausend Fragen. Immer will er wissen, ob man mit mir zufrieden ist. Ich muß ihm ganz genau von meiner täglichen Arbeit berichten. Er bildet sich ein, ich verfaßte Steuergesetze. Ich aber, weißt du, was ich mache? Additionen und Divisionen und Multiplikationen mit Dezimalbrüchen. Es ist nicht zum Aushalten! Ich möchte etwas anderes suchen. Aber wenn ich mit dieser Arbeit fertig bin, möchte ich so schnell wie möglich zu Hause sein. Es geht eine Straßenbahn um sechs Uhr zwölf und die nächste um sechs Uhr zwanzig. Oft kommt es vor, daß mir einer der beiden Alten noch etwas Gleichgültiges ganz langsam sagt – wenn ich unten bin, muß ich acht Minuten auf die Bahn warten. Diese acht Minuten sind länger als der ganze Tag. 49
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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