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Zipper und sein Vater
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im Finstern lacht. Ich greife geradeaus und fühle ihre Brust, bin erschrocken, ziehe die Hand zurück, da läuft sie davon. Am nächsten Morgen treffen wir uns im Park, und es ist so, als ob gestern die Nacht gar nicht gewesen wäre. Wir suchen wieder Hirschkäfer. Einmal sah ich, wie ein älterer Herr auf der Kurpromenade sie anschaut. Dann will sie wieder zurück, obwohl wir auf dem Weg zur Wiese waren. Sie sagt, sie möchte ein Konzertprogramm sehen. Vor dem Pavillon, wo die Musik spielt, steht der Herr, und Erna lacht. Er kneift ein Auge zu, sie wird rot. Ich glaube, daß ich mich in diesem Augenblick verliebt habe. Ich kann nicht mehr so mit Erna spielen. Ich versuchte immer, mit ihr in der Dunkelheit auf die ›Gloriette‹ zu gehen, ich brenne danach, noch einmal ihre Brust zu berühren. Aber es gelingt nie mehr wieder. Einmal war Fest im Kursalon. Ich stand da und sah, wie sie mit Offizieren tanzte. Am nächsten Tag wurde sie von vielen Herren gegrüßt. Sie war auch schon verändert. Sie hüpfte nicht mehr über die Straße wie gestern noch, sie ging wie eine Dame. Kam sie an einen Bach, in den sie früher oft mit den Schuhen gestiegen war, so blieb sie einen Moment stehen, ehe sie sich entschloß, ihm auszuweichen, die schmalste Stelle zu suchen. Dann mußte ich zuerst hinüber und ihr die Hand reichen. Ich liebte sie, ich hatte schlaflose Nächte. Dann fuhren wir weg. Ich war eifersüchtig, gekränkt, gedemütigt, ich haßte meine Eltern, weil sie kein Geld hatten. Ich träumte mir banale Geschichten zurecht. Ein Waisenhaus brennt, ich rette alle Kinder, mein Name steht in der Zeitung, sie kommt zu mir und bittet mich um Verzeihung und sagt: ›Du kannst meine Brust berühren, wenn du willst.‹ Dann, nach den Ferien, sah ich sie wieder. Wir sprachen aber nicht mehr miteinander, obwohl ich ihr oft nachging bis zum Haus und sie es gesehen haben muß.« »Und was macht sie jetzt?« »Man sagte mir, sie hätte sich im Krieg verlobt, die Verlobung sei dann zurückgegangen. Erna ist jetzt in der Schauspielschule, sie will Schauspielerin werden. Ich glaube, sie hat recht, wenn ich mich erinnere, wie sie in der Dunkelheit lachen konnte.« »Wie lang habt ihr euch nicht gesehen?« »Es werden zehn Jahre her sein. Ich weiß nicht, ob ich sie wiedererkenne.« An diesem Abend begleiteten wir einander nicht mehr nach Haus. Es war eine kühle und neblige Nacht. Arnold verabschiedete sich sehr schnell. Es schien mir, daß er sich schämte. 52
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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