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Zipper und sein Vater
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Page - 55 - in Zipper und sein Vater

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Beifall. Wenn sie vom Spiel aufstanden, verließ Arnold nur zögernd den Tisch. Es tat ihm offensichtlich leid. Er fühlte sich leer. Er mußte jetzt zu einem anderen Tisch gehen, man spielte dort nicht mehr, man sprach nur, und ein Gespräch war lange nicht so übersichtlich. Außerdem war er an einem Tisch, an dem man nur sprach, mehr fremd als an einem, an dem man spielte. Denn verlangten die Gesetze des Kartenspiels geradezu einen Kiebitz, so waren die Gesetze einer Unterhaltung einem Außenseiter nicht hold. Arnolds hellhörige Empfindlichkeit erriet hundertmal die Frage, die sich viele stellten und die niemand aussprach: Was macht eigentlich dieser Zipper hier? Denn man wußte, daß er nicht malte, nicht schrieb und nicht komponierte, aber alle, die malten, schrieben und komponierten, kannten Zipper. Er beschäftigte sich nicht einmal mit der Politik, die ebenso wie die Tätigkeit in einer Redaktion jeden Gast in diesem Kaffeehaus heimisch machte. Dennoch gehörte Arnold in dieses Kaffeehaus und in kein anderes. Er ging unter den Schriftstellern herum – die immer auf der Jagd nach einem »Thema« waren – wie ein Romanstoff, der sich umsonst anbietet. Die Schriftsteller aber sind nicht geneigt zu glauben, daß ein Kiebitz literarisch brauchbar sein kann. Sie gewöhnten sich an Zipper. Jeder hatte sich die Frage, was er eigentlich hier mache, schon so oft gestellt, daß er schließlich der Meinung war, er hätte schon eine Antwort auf sie gefunden. Es gefiel ihnen, einen Menschen in der Nähe zu haben, der nicht vom Fach war, aber dem Fach immerhin so nahe, daß man nichts übersetzen mußte, um ihm verständlich zu sein. Auch wenn sie sprachen, war er ihr Publikum. Und da sie mehr sprachen, als sie schrieben, war ihnen ein Leser, der zuhörte, von Nutzen. Und Arnold hörte zu. Das Kaffeehaus lockte ihn jeden Abend, wie das Gasthaus einen Trinker, wie der Spielsaal einen Spieler. Er konnte nicht mehr leben ohne den regelmäßigen Anblick der kleinen, weißen, runden und der viereckigen grünen Tische; der dicken Säulen, die einmal in der ersten Jugend dieses Kaffeehauses seinen prunkvollen, majestätischen Charakter betont haben mochten, die heute schwarz von Rauch waren, gleichsam von jahrzehntelangen Opferbränden, und an denen Zeitungen hingen wie dürre Früchte in dürren, gelben, klappernden Rahmen; der dunklen Nischen, beschattet von Überkleidern an schwerbehängten Ständern; der Toilette im Korridor, vor der ein ständiges Kommen und Gehen war, vor der man Bekannte traf und begrüßte und vor der man, ohne zu merken, wie die Zeit verstrich, eine halbe Stunde stehen konnte; der blonden Kassierin am Büfett, die jeden beim Namen kannte und die den Stammgästen die Post verteilte, während sie Briefe und Karten, die für die gewöhnliche »Laufkundschaft« gekommen waren, in einer unpersönlichen, dienstlich kühlen Vitrine ausstellte; der Kellner, die niemals wechselten, niemals starben, niemals nach den Wünschen der Gäste fragten, sondern immer das Gewohnte brachten; der 55
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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