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Zipper und sein Vater
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seiner Küche offen. Man roch, was er aß. Jetzt hatte Arnold auch einen Salon. Es war nicht mehr, wie bei ihm zu Hause, ein dunkler, feuchter Salon. Es war ein warmer, trockener. Auf der Kommode standen winzige Buddhas mit Schublädchen in den Bäuchlein. In diesen Schubläden lagen Kleinigkeiten, Abfälle, Bestandteile von den Toiletten Ernas. Sie hatten ein Dienstmädchen, eine strenge Frau mit einem Angesicht wie eine Baumwurzel, knollig, schwarz. Sie steckte in einer langen blauen Schürze. Das Muster erinnerte mich an die Schürze der Frau Zipper. Man aß in einem Zimmer, dessen Tür zur Küche führte. Man aß an einem runden kleinen Tisch, jeden Tag ließ Erna neue Blumen bringen. Mit großer Sorgfalt las sie alle Zeitungen, die sie früher nicht einmal dem Namen nach gekannt hatte. Seitdem ihr Ruhm verfiel, suchte sie nach den Neuigkeiten der Welt, der versunkenen Welt, mit Qual und Neugier. Da sie sich vorläufig ohne Ziel sah, schien es, daß ihr Verstand sich verringerte. Er war ein Apparat, der nur unter bestimmten Bedingungen funktionierte. Erna wurde empfindlich, mißtrauisch, weinerlich, eine klägliche kleine Frau. Sie kombinierte immer noch scharf, aber falsch. Sie verdächtigte Arnold, daß er nicht genug für sie arbeite. »Es wäre seine Pflicht«, sagte sie, »mich jeden Tag der Welt ins Gedächtnis zu rufen. Er aber ist froh, daß ich nicht spiele.« Kam er nach Haus, erzählte er, daß er in einer Gesellschaft gewesen sei, so fragte sie: »Hat man von mir gesprochen?« Haarklein mußte Arnold berichten, bei welcher Gelegenheit, warum, wieso die Rede auf Erna gekommen wäre. Er mußte die Kleider der Frauen schildern, seine Gespräche wörtlich wiedergeben. War sie nicht einmal auch von ihrer Mutter ausgefragt worden? Ihr Gebrechen heilte nicht. Wenn es kalt war, wurde es schlimmer. Man schickte sie im Winter nach Nizza. Allein wollte sie nicht fahren. Arnold mußte sie begleiten. Er bekam sechs Wochen Urlaub. Als sein Urlaub zu Ende war, zwang sie ihn, bei ihr zu bleiben. Sie machten Schulden. Der alte Zipper schickte noch einmal Geld. Ein halbes Jahr später traf ich Arnold in Monte Carlo. Er spielte und gewann. Es waren keine großen Summen. Aber er konnte mit seiner Frau von den Gewinsten leben. Er gewann jeden Tag ein paar hundert Francs. »Ich habe gar kein System«, sagte Arnold, »ich gewinne, einfach, weil ich bescheiden bin. Ich gehe jeden Vormittag hierher, langsam, gedankenlos, wie man in ein gleichgültiges Amt geht, wo einem nichts zustoßen kann. Jeden Abend um sechs Uhr löse ich die Marken ein. Nie waren es mehr als tausend Franken. Manchmal sind es hundert, manchmal dreihundert, manchmal siebenhundertfünfzig.« 98
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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