Grätz oder Graz war die große Streitfrage#
Wie sich der Name Graz entwickelt hat und heftig darum gestritten wurde: Gracz, Greze, Grätz, Bayrisch-Grätz - 1532 verwendeten die Osmanen sogar das wenig schmeichelhafte „Gradschas“. #
Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung
In der Biedermeierzeit entbrannte ein heftiger Streit um die richtige Schreibung des Stadtnamens: Grätz oder Graz war die Frage, die die Gemüter erhitzte. Die Auseinandersetzung hatte schon 1790 begonnen, als sich der Geograph Josef Karl Kindermann, nach dem die Kindermanngasse benannt ist, in seiner Abhandlung „Etymologie des Wortes Grätz“ vehement für die Schreibung mit „ä“ einsetzte. Der Journalist und Herausgeber der „Grazer Bauernzeitung“, Michael Ambros, stellte sich dagegen, jedoch erhielt Kindermann in Gelehrtenkreisen große Zustimmung, obwohl im Volk niemand „Grätz“ sagte. Während der „Grazer Merkur“ und natürlich die „Grazer Bauernzeitung“ konsequent für die Schreibung „Graz“ eintraten, änderte die „Gratzer Zeitung“ von 1787 bis 1843 sogar ihren Namen in „Grätzer Zeitung“ um - weil der ä-Befürworter Kindermann 1787 deren Leitung übernommen hatte. Der Streit schwelte längere Zeit weiter, so dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts niemand mehr wusste, welche Schreibung richtig oder falsch war, berichtet Walter Brunner in der „Geschichte der Stadt Graz“.
Als im Jahr 1843 die Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte im Grazer Coliseum stattfand, an der auch Erzherzog Johann teilnahm, hielt der berühmte Orientalist Josef von Hammer-Purgstall einen Vortrag zum Namensstreit und vertrat überzeugend die Schreibweise „Graz“. Damit wurde aber die Diskussion über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Während nun Josef Wartinger vom Archiv der steirischen Stände, Franz Chmel vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv sowie Franz Grillparzer (ja, der berühmte Dichter) vom Wiener Hofkammerarchiv für die These Hammer-Purgstalls eintraten, widersprach ihr der Grazer Universitätsprofesssor Gustav Franz Schreiner in der „Steiermärkischen Zeitschrift“. Ebenfalls für „Grätz“ traten der Stainzer Germanist Josef Diemer und der damals führende Landeshistoriker Albert von Muchar ein.
Der alltägliche Sprachgebrauch der Grazer hingegen hatte ohnehin die ganze Zeit eindeutig das „a“ verwendet. Das beweisen praktische Beispiele, die Walter Brunner anführt: Schon der bekannte Dominikanerprediger Abraham a Santa Clara, der nach dem Pestjahr 1680 von Graz gekommen war, schlug aus Dankbarkeit für die Abwendung der Pest vor, den Namen Graz in „Gratias“ zu verlängern. „Ein solches Wortspiel ist nur denkbar, wenn man damals ,Graz' gesagt hat.“ Auch der Stadtphysiker Benditsch schrieb 1808 „Nur ein Graz ertönet aus einer jeden vaterländischen Deutschen Kehle!“ Der rein akademische Streit wurde schließlich zum Ziel der Satire. So veröffentlichte in den „Münchner Fliegenden Blättern“ der landschaftliche Registrator Sigismund Kraßberger unter dem Pseudonym „Crassus“ witzige Karikaturen darüber (siehe Abbildung).
Aber auch schon lange vor diesem Namensstreit hatte es im Laufe der Jahrhunderte verschiedenste Schreibweisen gegeben. So finden wir im 12. Jahrhundert unterschiedliche Formen wie Gracz, Graetz, Grace, Graci, Graeze und Greze. Im Laufe des 13. Jahrhunderts setzten sich Varianten mit ae oder ä durch. Im Spätmittelalter wird dem a ein e bzw. dem e ein a übergesetzt, welches später durch zwei übergesetzte Punkte ersetzt wird - als Kennzeichen für ein helles a. Seit dem 16. Jahrhundert überwiegt die Schreibung mit a, „so dass man zwar mitunter noch Gräz geschrieben, aber ohne Zweifel Graz gesprochen hat“. Zur Unterscheidung von der untersteirischen Stadt Windischgraz/Slovenji Gradec wurde Graz vom 13. bis zum 15. Jahrhundert auch als Bayrisch-Graz bezeichnet. In der Landeshauptstadt scheint sich dieser Name aber nicht eingebürgert zu haben. Und zuletzt noch als Schmankerl der Name, den die osmanischen Geschichtsschreiber 1532 Graz gaben: ein für unsere Ohren wenig schmeichelhaftes „Gradschas“.
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