Austro-Nobelpreise für Pionierleistungen#
Musikwissenschafterin Ursula Hemetek und Mathematiker Herbert Edelsbrunner sind Wittgenstein-Preisträger 2018.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 14. Juni 2018
Wien. (est) Die Ethnomusikologin Ursula Hemetek und der Informatiker Herbert Edelsbrunner erhalten die Wittgenstein-Preise 2018. Diesen Vorschlag seiner Jury gab der Wissenschaftsfonds FWF am Mittwoch bekannt.
Die Auszeichnung gilt als "Nobelpreis" Österreichs. Mit je 1,4 Millionen Euro ist sie die höchstdotierte und prestigeträchtigste heimische Anerkennung für wissenschaftliche Leistungen. Der Wittgenstein-Preis wird an exzellente Forscherinnen und Forschern aller Fachdisziplinen verliehen, die herausragende Leistungen erbracht haben. Die je mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotierten Start-Preise gehen an sechs Nachwuchsforscher.
Mit der Minderheitenforschung hat die 61-jährige Musikwissenschafterin Hemetek ein neues Feld innerhalb ihres Fachgebiets geschaffen. Die Professorin am Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien ist eine der einflussreichsten Persönlichkeiten ihres Faches. Zur Erforschung der Musik von Minderheiten hat sie als Pionierin neue Zugänge, Methoden und Theorien entwickelt.
"Stellen sie sich vor, jemand läutet an ihrer Tür und sagt: Singen sie mir was vor", beschreibt sie die empirische Seite ihrer Arbeit im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Vor allem Roma, deren Angehörige von Nazi-Wissenschaftern erforscht und im Konzentrationslager ermordet wurden, hätten zunächst Vorbehalte gehabt. Mit Feingefühl brachte jedoch auch sie zum Singen und verglich ihre Musik.
Ethnomusikologie ist für Hemetek eine partizipative Wissenschaft mit gesellschaftspolitischer Verantwortung. Mit dem Preisgeld will sie ein internationales Forschungszentrum für ethnomusikologische Minderheitenforschung ihrer Universität gründen.
Hemetek, am 12. Oktober 1956 in Wien geboren, studierte an der Uni Wien und wurde 1987 mit einer Arbeit über Hochzeitslieder der burgenlandkroatischen Gemeinde Stinatz promoviert. 2001 habilitierte sie sich in Musikwissenschaft mit dem Spezialgebiet Ethnomusikologie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die traditionelle Musik von Minderheiten in Österreich, insbesondere der Roma, burgenländischen Kroaten und der Bosnier. Sie ist die erste Wissenschafterin einer Kunstuniversität, die mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet wurde.
Herbert Edelsbrunner ist bereits der dritte Preisträger am Institute for Science and Technology (IST) Austria in Maria Gugging (2012: Thomas Henzinger; 2016: Peter Jonas). Der 60-jährige Edelsbrunner gilt als Gründungsvater der Computertopologie und zählt zu den weltweit führenden Forschern auf diesem Gebiet. Er beschreibt sein Fach als "eine Mischung von Mathematik und Informatik". Während es in der Mathematik um geometrische Dinge gehe, sei die Topologie eine Erweiterung der Geometrie um Bezug auf die Verformung von geometrischen Objekten.
Computer-Geometrie#
Edelsbrunner trug wesentlich zum Aufbau der Computer-Geometrie bei. Ein zentrales Problem dabei ist die Speicherung und Verarbeitung von geometrischen Daten. Die Computer-Topologie gilt als ihre logische Erweiterung, allerdings mit anderen mathematischen Fundamenten. Mit dem Preisgeld will der Mathematiker Österreich als führenden Forschungsstandort seines Fachgebiets ausbauen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Physikern oder Biologen suchen.Geboren am 14. März 1958 in Unterpremstätten bei Graz, studierte Edelsbrunner Technische Mathematik an der Technischen Universität (TU) Graz und ging 1985 an die University of Illinois in Urbana-Champaign. 1999 wechselte er an die Duke University in Durham im US-Staat North Carolina und kehrte mit der Gründung des IST Austria 2009 nach Österreich zurück. Ebenfalls heuer erhielt Edelsbrunner einen mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotierten "Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Neben den beiden Wittgenstein-Preisen gehen sechs jeweils mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotierte Start-Preise an Nachwuchsforscher. Die Hälfte davon erhalten Wissenschafter der Technischen Universität (TU) Wien.
Start-Preise für Jungforscher#
Die Physikerin Emanuela Bianchi, geboren am 18. September 1981 in Rom, arbeitet am Institut für theoretische Physik der TU Wien im Bereich Materialwissenschaften. In ihrem Start-Preis-Projekt will sie die Selbstorganisation mikroskopischer Einheiten zu größeren Strukturen zuverlässiger steuern.Der Bauingenieur Josef Norbert Füssl, geboren am 17. August 1980 in Wien, arbeitet am Institut für Mechanik der Werkstoffe der TU Wien. Er will Holz durch computergestützte Methoden als Tragwerkselement in Gebäuden berechenbar machen.
Der Physiker Philipp Haslinger, geboren am 1. Dezember 1982 in Wien, ist am Atominstitut der TU Wien tätig. In seinem Start-Preis-Projekt will er Kräfte in höchster Präzision messen. Der Physiker Oliver Hofmann, geboren am 31. Juli 1982 in Wien, beschäftigt sich am Institut für Festkörperphysik, der TU Graz mit jenen Strukturen von Materialien, die über Geschmack, Aussehen und Wirksamkeit entscheiden - etwa von Schokolade oder von Medikamenten.
Der Biologe Robert Junker, geboren 1981 im deutschen Buchen, arbeitet am Fachbereich Biowissenschaften an der der Uni Salzburg. Gina Elaine Moseley, geboren im britischen Walsall (Großbritannien), erforscht am Institut für Geologie der Universität Innsbruck anhand von Sinterablagerungen in Höhlen die Klimageschichte Nordostgrönlands - ein Gebiet der Arktis, das durch den Klimawandel voraussichtlich die größten Veränderungen erleben werden.
Die Start- und Wittgenstein-Preise werden am 12. September im Rahmen des "Be Open"-Festivals zum 50-jährigen Bestehen des FWF verliehen.