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Pieter Bruegel der Ältere und die Bauernhochzeit#

von

Sabine Paukner


Ein Lebensweg#

Pieter Bruegel der Ältere wurde vermutlich zwischen 1525 und 1530 in einem Dorf namens Breughel bei Breda geboren - dies schreibt sein erster Biograf Carel van Mander fünfunddreißig Jahre nach seinem Tod. Weiters soll Bruegel eine Lehre als Maler und Graphiker in der reichen Handelsmetropole Antwerpen bei Pieter Coecke van Aelst absolviert haben. Früh wurde die Kunst des Hieronymus Bosch für Bruegel bedeutend, da er Vorlagezeichnungen danach anfertige und später - wie auch Bosch - eigenständig und ohne nachzuahmen neue Bildwelten schuf. Ebenso lernte er seinen langjährigen Geschäftspartner, den Verleger, Maler und Kupferstecher Hieronymus Cock in Antwerpen kennen, welcher den druckgrafischen Markt beherrschte und Zeichnungen von Bruegel als Stichreproduktionen veröffentlichte. Dies führte dazu, dass Bruegel und seine niederländische Umwelt bald im europäischen Kunstraum bekannt wurden. 1551 wurde er als Meister in die Antwerpener St. Lukasguilde aufgenommen.

Bruegel reiste zwischen 1552 und 1555 nach Italien, wo er vielfach Veduten nach der Natur zeichnete; so begann sich die Landschaft als Schwerpunkt in seinem Oeuvre abzuzeichnen. Diese Künstlerreise, bescherte ihm eine Fülle von Skizzen, die er in seine späteren Werke einarbeitete. Bruegel lebte auch einige Zeit in Rom, kehrte aber bald wieder nach Antwerpen, zu Hieronymus Cock zurück - dessen Verlag Zu den Vier Winden dafür war bekannt, Gedankengut von humanistischer Prägung zu verbreiten. Laut seinem Biografen van Mander verließ Bruegel die Stadt Antwerpen um das Jahr 1563, um in Brüssel die Tochter seines ersten Lehrmeisters zu heiraten, mit der er zwei Söhne hatte. In Brüssel erreichte er den Höhepunkt seines Schaffens, wie sein Oeuvre erkennen lässt. 1569 starb Pieter Bruegel der Ältere und wurde im Seitenschiff der Kirche Notre-Dame-de-la-Chapelle in Brüssel beigesetzt.

Das Bauerngenre#

Innerhalb des Bauerngenres mit seinen Festdarstellungen war der Bildtypus der Bauernhochzeit in der Druckgrafik und Tafelmalerei ab der Mitte des 16. Jahrhunderts besonders populär. Den Ausgangspunkt bildete Deutschland, da die dortigen Künstler die bäuerliche Figur erstmals als selbstständiges Sujet in der freien grafischen Darstellung großfigurig abbildeten. Im Vorfeld dieser Entwicklung wurde der Bauerstand in der Kunst über Jahrhunderte hinweg kleinfigurig und typisiert dargestellt, weil er lediglich als Teil der Natur gesehen wurde, wie dies beispielsweise in Kalendarien zu beobachten ist. Nach neuen und fremden Lebensbereichen, wie etwa den bäuerlichen Hochzeits-Festen, die man zuvor schon aus der Literatur und den Fastnachtsspielen kannte, herrschte eine zunehmende Nachfrage. Festdarstellungen wie die Bauernhochzeit, die in der deutschen Grafik bereits Ende der 1520er Jahre in Erscheinung trat, fanden in der niederländischen Druckgrafik erst drei Jahrzehnte später eine äquivalente Umsetzung. Als frühest erhaltenes Bauernhochzeitsbeispiel kann hierbei Pieter van der Borchts Große Dorfhochzeit aus dem Jahr 1560 genannt werden.

Pieter van der Borcht, Große Dorfhochzeit
Pieter van der Borcht, Große Dorfhochzeit, Kupferstich, 1560, MET NY. (Foto: © Sabine Paukner, MET NY.)

Bald darauf fand dieses Hochzeitsmotiv bei Pieter Bruegel dem Älteren seinen Weg in die elitäre Gattung des Tafelbildes, wie im Detroiter Hochzeitstanz im Freien zu sehen ist oder dem Wiener Bauernhochzeitsmahl. Die Basis der bildlichen Umsetzung bildete - neben der deutschen Druckgrafik und jener von Hieronymus Boschs Hochzeit zu Kana - vor allem Heinrich Wittenwilers deutsche Bauernsatire mit dem Titel „Der Ring“, die ebenso auf das niederländische Volkslied, die Fastnachtsspiele und auf die Literatur großen Einfluss hatte. Die Künstler verquickten gekonnt das im zeitgenössischen Hochzeitsbrauch sichtbare realistische Moment mit dem Satirischen und Stereotypen. Pieter van der Borcht, der als erster niederländischer Künstler Bauernhochzeiten und Bauernkirmessen abbildete, fällt eine tragende Rolle zu. Dies wiederum spricht Pieter Bruegel dem Älteren die oftmals erwähnte Rolle des Nestors des niederländischen Bauerngenres ab. Durch Bruegels Übertrag in das großformatige Tafelbild erreichte diese Genredarstellung jedoch seinen bis ins 17. Jahrhundert anhaltenden Höhepunkt.

Bruegels Bräutigam im Wiener Bauernhochzeitsmahl#

Das Bauernhochzeitsmahl im Kunsthistorischen Museum in Wien von Pieter Bruegel dem Älteren um 1568 gemalt, ist vielen bekannt, da es unzählige Male kulturindustriell reproduziert wurde und wird. Bruegel setzte das Motiv der Bauernhochzeit erstmals im Tafelgemälde um und gab damit dem Formalen und Narrativen einen neuen Ausdruck. Durch die Monumentalität des Formates und die großen Figuren im Bildvordergrund, sind Bruegels letzte Werke sehr plakativ und in Folge dessen leicht zu lesen und verständlich. Sie gaukeln den BetrachterInnen hervorragend den stereotypen Realitätscharakter der damaligen Zeit vor. Das Sujet als solches und seine besondere Art der bildlichen Umsetzung waren es, die das Interesse damals wie auch heute wecken.

Pieter Bruegel der Ältere, Bauernhochzeitsmahl
Pieter Bruegel der Ältere, Bauernhochzeitsmahl, Öl auf Holz, 1568, KHM, Wien. (Foto: © Bilddatenbank, KHM, Wien.)

Beeindruckend im Bauernhochzeitsmahl ist auch die perspektivische Inszenierung der Tischszene, da diese diagonal angelegt ist. Die Hochzeitstafel wurde verschoben, sodass die frontale Sicht auf den Ehrenplatz der Braut nicht mehr gegeben ist, wie noch etwa bei Bruegels Vorläufern Hieronymus Bosch und Pieter van der Borcht. Mit der Schrägstellung des Tisches bewirkte Bruegel eine räumliche Dynamisierung mit Tiefenzug. Die Speisenträger sind auffallend monumental dargestellt, zudem stehen die BildbetrachterInnen dem Geschehen nun auf Augenhöhe gegenüber. Bruegel übernahm einzelne Motive von Van der Borchts Großer Dorfhochzeit, wie beispielsweise den ins Gespräch vertieften Mönch, das Befüllen der schönen Trinkkrüge bei der Mundschenke im Vordergrund und die drei Beisitzerinnen der Braut. Er gibt wie bereits Van der Borcht, die Personen und Gegenstände in vorderster Bildebene nicht vollständig wieder, wodurch die BildbetrachterInnen dem Festschmaus einen Schritt näher scheinen; und obwohl ihnen viele Gäste den Rücken kehren, fühlen diese sich nicht ausgeschlossen, da der Tisch schräg positioniert ist.

Bruegel stattet seine Hochzeitsgesellschaft erstmals mit guten Tischmanieren aus, die einfache Speisen, nebst Brei auch Brot und etwas Fleisch verzehrt. Die Hochzeitsgeschenke wurden bereits überreicht - worauf Stuhl und Teller im rechten Bildvordergrund verweisen könnten. Bruegel übernahm ebenso das Motiv des breiessenden Kindes im linken Bildvordergrund samt großer Mütze von Pieter van der Borcht. Von der Mütze ausgehend, ist auch gleich der Bräutigam zu erwähnen. Die immer wiederkehrende Bemerkung in der Fachliteratur über das Fehlen des Bräutigams im Wiener Bauerhochzeitsmahl ist das Resultat ungenügender Bildbetrachtungen. Die rote, viel zu große Kopfbedeckung mit der schönen Pfauenfeder rutscht dem Kind tief ins Gesicht und wurde ihm folgedessen übergestülpt. Bei genauem Hinsehen bildete Bruegel in der linken oberen Bildecke, am Ende der Tafel einen blonden jungen Mann, gänzlich im roten Festtaggewand, mit einem weißen Beutel ab. Nur er und eine weitere stehende, dunkelhaarige Bauernfigur gegenüber, die ihr Trinkgefäß gierig leert, tragen keine Kopfbedeckungen. Es ist leicht zu enträtseln, wem die geschmückte, übergroße rote Mütze gehört. Auch in späteren Bauernhochzeitsdarstellungen trägt der Bräutigam meist eine rote Kopfbedeckung mit Feder. Die Aufgabe des Bräutigams während des Hochzeitmahls bestand vor allem darin, die Gäste zu bewirten, während die Braut in der ihr vorgeschriebenen, stummen und würdevollen Haltung - ohne zu speisen - verweilte. Im Tafelbild Bruegels werden am Ehrentuch über der Braut zwei Brautkronen dargestellt, wobei fälschlicherweise in der Literatur immer nur eine Erwähnung findet. Die kleinere Papierkrone ist für den Bräutigam bestimmt, der wie im Brüssler Hochzeitszug Bruegels um 1564-1566, diese über seiner roten Kopfbedeckung trägt. Die Bräutigamskrone deutet zusätzlich auf die Anwesenheit des frisch Vermählten beim Hochzeitsmahl hin.

Die Lust im Hochzeitstanz#

Pieter Bruegel der Ältere, Hochzeitstanz im Freien
Pieter Bruegel der Ältere, Hochzeitstanz im Freien, Öl auf Holz, 1566, Institute of Arts, Detroit. (Foto: © Bilddatenbank, Institute of Arts, Detroit.)

Das große Tafelbild, der Hochzeitstanz im Freien von Pieter Bruegel dem Älteren, ist um 1566 datiert und befindet sich im Detroit Institute of Arts. Das Gemälde war bis 1942 an den Stellen, die zu viel virile Erregtheit zeigten, übermalt. Ein lebhafter Hochzeitsrummel spielt sich auf einer großen Wiese, neben dem hauswirtschaftlichen Lebensbereich des Bauernstandes, ab. Die freie Wiese ist von einigen Bäumen durchbrochen und dahinter scheint die Welt aufzuhören, die Atmosphäre wird begrenzt. Der Maler ermöglicht den BetrachterInnen von einem erhöhten Punkt, in perspektivischer Aufsicht, den gesamten Rummel zu überblicken – wobei die Tiefenwirkung durch die Fluchtlinien, die außerhalb des Bildraumes beginnen, sich am Horizont treffen und durch die immer kleiner werdenden Bäume und Menschen besonders stark ist. Im gleichmäßig gestreuten Tageslicht leuchten die warmen Erdfarben und Rottöne der buntgewandeten Personen auf. Zur Bildwirkung ist zu sagen, dass auf den ersten Blick Freude, Fröhlichkeit, Spaß, Turbulenz und Schnelligkeit sichtbar und fühlbar gemacht werden. Nach genauer und längerer Betrachtung tritt das Thema der Lust und Sexualität in den Vordergrund. Die Lust am Feiern, am Tanzen, Trinken und Flirten.

Bruegel zeigt das Liebäugeln, Kokettieren, Bezirzen, Bezaubern, Aufreizen, Charmieren, Anbändeln und Verführen en détail - aber auch die Erotik, die Begierde, die Genussfreude, die Sinnesfreude, die Gier, den Trieb sowie unterschiedliche sexuelle Neigungen. Offensichtliche und versteckte Erregtheit sind im unruhigen Tafelgemälde zu suchen, zu finden und zu verstehen. Die Bauernhochzeit scheint auch nur darum ein Vorwand zu sein, um dieses tolle Treiben samt seinen Trieben offen zeigen zu können. Und es scheint nicht nötig, Didaktisches hinein zu interpretieren, vielmehr ist Lebensfreude, Humor und Komik zu sehen und keinesfalls eine Verhöhnung des Bauernstandes. Einzelmotive und Handlungen des Hochzeitstanzes im Freien stimmen mit Textstellen aus Heinrich Wittenwilers „Ring“ überein. Zudem lässt sich anhand der Literatur, der Bildmotive und des oft reproduzierten Kupferstiches des Hochzeitstanzes im Freien samt Bildunterschrift, die Aussage treffen, dass die Hochzeit auch in einem erotischen Kontext gesehen wurde.

Die Bauernhochzeitsdarstellungen - nach zeitgenössischem Brauch und stereotypen Motiven aus Bildtradition und Literatur gemalt - zeigen sich als besonders anschauliche Bilderzählungen, in denen viele Details entdeckt werden wollen.

Literaturauswahl:#

  • Alpers, Svetlana: Bruegel's Festive Peasants. In: Simiolus [Hg.]: Netherlands Quarterly for the History of Art, 6, No. 3/4, o. O. 1972- 1973, S. 163-176.
  • Gibson, Walter S.: Artists and Rederijkers in the Age of Bruegel. In: The Art Bulletin, 63, No. 3, New York 1981, S. 426-446.
  • Gibson, Walter S.: Festive Peasants before Bruegel. Three Case Studies and Their Implications. In: Simiolus (Hg.): Netherlands Quarterly for the History of Art, 31, No. 4, o. O. 2004-2005, S. 292-309.
  • De Jongh, Eddy und Luijten, Ger: Mirror of Everyday Life. Genreprints in the Netherlands 1550-1700. Amsterdam 1997.
  • Van Houtte, J. A.: Die niederländische Umwelt Pieter Bruegels. In: Von Simon, Otto und Winner, Matthias (Hg.): Pieter Bruegel und seine Welt. (= Ein Colloquium, veranst. vom Kunsthistor. Inst. d. Freien Univ. Berlin u. d. Kupferstichkabinett d. Staatl. Museen Stiftung Preuss. Kulturbesitz am 13. u. 14. November 1975), Berlin 1979. S. 29-36.
  • Marijnissen, Roger H.: Bruegel. Das vollständige Werk. Köln 2003.
  • Mielke, Hans und Mielke, Ursula: Peeter van der Borcht. In: Luijten, Ger (Hg.): The New Hollstein, Dutch & Flemish etchings, engravings and woodcuts 1450 - 1700, Peeter van der Borcht. Rotterdam 2004.
  • Paukner, Sabine: BauernHochzeit bei Borcht und Bruegel. Studien zu einer niederländischen Genredarstellung des 16. Jahrhunderts. Universität Wien, Masterarbeit, 2012.
  • Raupp, Hans-Joachim: Bauernsatiren. Entstehung und Entwicklung des bäuerlichen Genres in der deutschen und niederländischen Kunst ca. 1470 – 1570. Niederzier 1986.
  • Roberts-Jones, Philippe und Francoise: Pieter Bruegel der Ältere. München 1997.

Zur Person#

Sabine Paukner, ART HISTORIAN, CULTURAL SCIENTIST, HISTORICAL CONSULTANT ǀ MOVIE & TV

Das Kunsthistorische Museum Wien ist im Besitz von 12 Tafelbildern Pieter Bruegels des Älteren – und beherbergt so den größten Bestand an Gemälden des bedeutendsten niederländischen Malers des 16. Jahrhunderts.

Um seinem Kunstschatz gerechter zu werden und die Dokumentation der Gemälde auf den aktuellen Stand zu bringen, startete die Gemäldegalerie des KHM in Kooperation mit der Getty Foundation im Rahmen der Getty Panel Initiative im Oktober 2012 ein Forschungsprojekt. Der einzigartige Bestand soll neu analysiert und mit nicht invasiven, zeitgemäßen technischen Untersuchungsmethoden erforscht werden, sowie alle vorangegangenen Provenienzen der Exponate möglichst lückenlos nachzeichnen.

Mag. Sabine Paukner MA

Redaktion: P. Diem