"Übersetzer" von Grundlagenforschung in Innovationen#
Technische Universitäten sehen sich als Standortfaktor.#
Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, Donnerstag, 2. Mai 2013
Wien. (est) In Österreich bleibt jeder fünfte in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik ausgeschriebene Job unbesetzt. Nur sechs Prozent der Studienanfänger wollen Ingenieurswesen studieren. Acht von zehn Industrieunternehmen haben Probleme, qualifiziertes Personal zu finden. Im "Innovation Scoreboard", dem tonangebenden EU-Innovatonsindikator, ist Österreich heuer auf Platz neun zurückgefallen.
Vor diesem Hintergrund haben die Technische Universität (TU) Wien, die TU Graz und die Montanuniversität Leoben am Dienstag ein "Sieben Punkte"-Papier präsentiert mit Kernbereichen, die sie für unverzichtbar für eine positive Weiterentwicklung der Technischen Universitäten und damit des Standorts halten.
"Innovation fällt nicht vom Himmel, sondern benötigt einen Nährboden, auf dem der vielfältige Bogen von der Grundlagenforschung bis hin zur potenziellen Anwendung gespannt werden kann", erklärte TU-Rektorin Sabine Seidler. Technische Universitäten seien die "Übersetzer" von Grundlagenforschung in Innovationen. Diese Position begründe sich vor allem in der Tatsache, dass technische Fächer auf einer starken Verbindung zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung beruhen.
Um den Transfer allerdings auch durchführen zu können, würden neben Zeit und Risikofreude aber auch die nötigen budgetären Mittel benötigt. Beim Einwerben von Drittmitteln seien die technischen Universitäten bereits sehr erfolgreich, betonte Seidler.
Neben den Themen Kooperation und Forschung nehmen die Partner im Positionspapier zur Qualität und Effizienz in der Lehre und zu Nutzung und Ausbau von Forschungsinfrastruktur Stellung. Gerade in der Technik sei man auf teure Ausstattung angewiesen. Um die Konkurrenzfähigkeit zu sichern, brauche es daher eigene Finanzierungsmodelle für Infrastruktur-Investitionen.
Einig zeigten sich die Mitglieder des Zusammenschlusses Technischer Universitäten auch darüber, dass technische Fächer attraktiver gestaltet, dargestellt und präsentiert werden sollten, wenn sie mehr Nachwuchs anlocken wollen. Man habe die Erfahrung gemacht, dass es Schülern oft schwer falle, sich unter technischen Fächern mit Namen wie "Verfahrenstechnik" etwas vorzustellen, sagte der Vizerektor für Lehre an der TU Graz, Bernhard Hofmann-Wellenhof. Auch IV-Präsident Georg Kapsch ortet hier Aufholbedarf. Neben stärkerer öffentlicher Positionierung einschlägiger Studien gehe es darum, Stipendien auszubauen und auf Karriereoptionen hinzuweisen. "Es muss cool sein, Technik zu studieren", erklärte Kapsch.
Der IV-Präsident warf auch ein Licht auf die Historie von Grundlagen- und angewandter Forschung in Österreich. "Grundlagenforschung hat den größten Hebel, aber auch das größte Risiko. Stößt man dabei auf etwas, ist die Multiplikation enorm. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass man auf etwas stößt, ist viel größer in der angewandten Forschung", erklärte er, und: "Wir haben allerdings in Österreich im Unterschied zur Schweiz nicht die Industrie, die Grundlagen im großen Stil erforschen kann. Grundlagenforschung an den Unis kann diese Lücke nicht füllen." Kapsch verwies auf ein Versäumnis der Politik, die nach dem Zweiten Weltkrieg kein großes Interesse gehabt hätte, Unternehmen, die nicht verstaatlicht waren, entstehen zu lassen. Woraus sich ergeben habe, dass das Land traditionell stärker auf die weniger risikoreiche angewandte Forschung setzt.