Page - 333 - in Bauhaus in Wien? - Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
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Raumgestaltungen und Architektur 333
bett“ aus dem ehemaligen Damenzimmer von Anny Wottitz-Moller (Abb. 328).384 Ein
weiterer Plan zeigt die Integration der Möbel aus dem Herrenzimmer von Hans Mol-
ler. Auf der Zeichnung sind die Sitzgarnitur mit dazugehörigem Tisch und der Bücher-
schrank eingezeichnet (Abb. 329). Dieser Plan lässt sich keinem Zimmer des Hauses
sicher zuordnen, da die Markierung der Fenster fehlt. Aufgrund des länglichen Zimmer-
grundrisses könnte es sich jedoch um einen Alternativentwurf für das besagte westliche
Zimmer im ersten Obergeschoss handeln.
Für das über eine Wendeltreppe erreichbare zweite Obergeschoss, in dem sich das
nordwestlich ausgerichtete Atelier von Anny Wottitz-Moller mit großem Fenster befand,
war für die Nische die von der Ateliergemeinschaft entworfene Sitzgarnitur aus dem
ehemaligen Damenzimmer in der Wasagasse vorgesehen (Abb. 330).
Die 1931 erschienene Publikation von Heinrich Kulka Adolf Loos. Das Werk des Ar-
chitekten weist keine Fotos der Zimmer in den Obergeschossen auf, also jenen Zim-
mergestaltungen, bei denen Loos nicht ausschließlich involviert war und die deshalb
nicht aussagekräftig für die Publikation über Loos waren.385 Im Loos-Archiv hat sich
lediglich eine Fotografie des Kinderzimmers erhalten, die jedoch nicht in Kulkas Pub-
likation abgebildet ist. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass in den weiteren Zimmern
der Obergeschosse tatsächlich die Möblierungen der Ateliergemeinschaft von Dicker
und Singer umgesetzt wurden. Belegt ist, dass offensichtlich die Sitzgarnitur von Anny
Wottitz-Moller aus ihrem ehemaligen Damenzimmer in der Wasagasse zur Einrichtung
des Hauses gehörte.386 Ungewöhnlich ist jedoch, dass von der Ateliergemeinschaft keine
Fotos von diesen Räumen zur Dokumentation angefertigt wurden, wie sonst üblich.
Dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass es sich nicht um neu entworfene
Möbel handelte, sondern Entwürfe aus dem Jahr 1925.387 Da die Möbel beim Einzug in
das neue Haus erst drei Jahre alt waren, ist es zudem sehr wahrscheinlich, dass sich das
Ehepaar Wottitz-Moller von den Möbeln noch nicht trennen wollte und sie in ihrem
neuen Haus nutzte. Bis heute hat sich im Eingangsbereich des Hauses eine Decken-
384 Erhalten ist in diesem Zimmer heute noch ein eingebauter hoher, schmaler Schubladenschrank mit
einer Ablagefläche, die entlang der Wand weitergeführt wird. Dieses Möbel könnte ein Rest von der
Möblierung der Ateliergemeinschaft sein. Zum einen wird der Schrank auf dem Zimmerentwurf
zeichnerisch angedeutet und zum anderen ähnelt die Formensprache den Schrankelementen, die für
die Gestaltung von Anny Wottitz-Mollers 1932 entstandenem Zimmer verwendet wurden.
385 Die Fotografien des Hauses Moller fertigte der Fotograf M. Gerlach aus Wien 1930 an. Siehe: Kris-
tan 2001. Siehe: AWA, Inv.-Nr. ALA2450.
386 Der Architekt Friedrich Kurrent hat die Möbel nach eigener Aussage 1966 beim Hausmädchen der
Mollers erworben. Heute befindet sich die Garnitur in der Neuen Sammlung in München. Diese In-
formation erhielt die Verfasserin von Josef Straßer, Neue Sammlung München, E-Mail, 14.09.2015.
387 Ähnliches ist für das Einrichtungsprojekt der Villa von Franz Neumann zu beobachten. Nach der
Übersiedlung der Einrichtung in eine Wohnung in Prag ließ man ebenfalls keine Fotografien anfer-
tigen.
© 2021 Böhlau Verlag | Brill Österreich GmbH
https://doi.org/10.7767/9783205213161 | CC BY-NC 4.0
Bauhaus in Wien?
Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Title
- Bauhaus in Wien?
- Subtitle
- Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer
- Author
- Katharina Hövelmann
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21316-1
- Size
- 17.4 x 25.6 cm
- Pages
- 492
Table of contents
- 1 Einleitung 9
- 1.1 Ein vergessenes Kapitel Wiener Design- und Architekturgeschichte 9
- 1.2 Forschungsstand 10
- 1.3 Quellenlage 15
- 1.4 Forschungsziele und Methodik 21
- 2 Dickers und Singers künstlerische Ausbildung im Zeichen von Kunstschulreform und Lebensreformbewegung 27
- 2.1 Die Zeit in Wien 27
- 2.1.1 Herkunft und Ausbildung bis 1916 27
- 2.1.2 Kunstschule Johannes Itten und Netzwerke 1916–1919 33
- 2.2 Studienzeit am Bauhaus in Weimar 1919–1923 47
- 2.2.1 Die Wiener Gruppe um Johannes Itten 47
- 2.2.2 Unterricht 56
- 2.2.3 Erste Architekturentwürfe – Vier Einfamilienhäuser 77
- 3 Berufliche Anfänge 89
- 3.1 Aufträge für Theater in Dresden und Berlin 1921–1922 89
- 3.2 Werkstätten Bildender Kunst GmbH, Berlin 1923–1926 92
- 3.2.1 Arbeiten für Die Truppe 107
- 3.2.2 Die Auflösung 114
- 4 Die Wiener Ateliergemeinschaft 1925–1938 117
- 4.1 Die Zusammenarbeit von Dicker und Singer 1925–1931 117
- 4.2 Architekturfachkenntnis im Hintergrund – Die AteliermitarbeiterInnen 134
- 4.3 AuftraggeberInnen 140
- 4.4 Strategien der Bewerbung 147
- 4.4.1 Axonometrie und Modell 147
- 4.4.2 Fotografie 154
- 4.4.3 Publikationen 157
- 4.5 Dickers und Singers Wege ab 1933/1934 162
- 5 „Das moderne Wohnprinzip“ – Zwischen Bauhaus und Wien 173
- 5.1 Das Bauhaus als Basis 173
- 5.2 Zur Situation in Wien – Innenraumgestaltung und Architektur 175
- 5.2.1 Die Wiener Moderne um 1900 175
- 5.2.2 Wien in der Zwischenkriegszeit 177
- 5.3 Theorie und Anspruch der Ateliergemeinschaft 182
- 5.4 Einrichtungsgegenstände: Möbel, Leuchten und Kachelöfen 185
- 5.4.1 Vom Einzelstück zur Typisierung – Frühe Möbel 1925–1929 185
- 5.4.1.1 Bauhaus und De Stijl als Vorbild 185
- 5.4.1.2 Verwandelbarkeit als Prinzip 202
- 5.4.1.3 Verbindungen zum Wiener Jugendstil und Biedermeier 210
- 5.4.1.4 Zwischen sozialem und künstlerischem Anspruch: Typisierungstendenzen 216
- 5.4.1.5 Möbeltischler und Hersteller 228
- 5.4.2 Wege zur Serienfabrikation – Stahlrohr- und Sperrholzmöbel 1929–1938 230
- 5.4.2.1 Der Stahlrohrstapelstuhl von Bruno Pollak 234
- 5.4.2.2 Stahlrohrmöbelentwürfe der Ateliergemeinschaft 238
- 5.4.2.3 Hersteller und Produktionsversuche der Stahlrohrmöbel 251
- 5.4.2.4 Entwürfe für die Firma Metz & Co 253
- 5.4.2.5 Sperrholzmöbel 261
- 5.4.2.6 Produktionsversuche der Sperrholzmöbel 264
- 5.4.3 Eine Welt für Kinder – Kindermöbel und Baukastenspiele 1927–1938 266
- 5.4.4 Leuchten und andere Metallarbeiten 289
- 5.4.5 Kachelöfen 302
- 5.5 Raumgestaltungen und Architektur 309
- 5.5.1 Verwendung von Farbe als Gestaltungsmittel 309
- |5.5.2 Intervention im Haus Moller von Adolf Loos und im dazugehörigen Garten 319
- 5.5.2.1 Ein neu entdeckter Möblierungsentwurf 319
- 5.5.2.2 Das Zimmer für Anny Wottitz-Moller 334
- 5.5.2.3 Das Gartenhaus 337
- 5.5.3 Wohnkonzepte auf kleinster Fläche 339
- 5.5.3.1 Einwohnräume 339
- 5.5.3.2 „Wachsende Häuser“ – Entwürfe für Kleinhauswohnbauten in Palästina 362
- 5.5.4 Fulminanter Höhe- und Endpunkt – Das Gästehaus Auersperg-Hériot 379
- 5.6 Epilog: Sozialer Anspruch oder Zeitgeist? – Eine kritische Bewertung 411
- 6 Resümee und Ausblick 417
- 7 Anhang 425
- 7.1 Quellentexte 425
- 7.2 Biografie Friedl Dicker / Franz Singer 428
- 7.3 Archive und Sammlungen 431
- 7.4 Literatur 436
- 7.5 Webseiten 473
- 7.6 Bildnachweis 477
- 7.7 Abkürzungen 480
- 7.8 Abstract 481
- 7.9 Register 482