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16 Bildung überdenken • ein globales Gemeingut?
Ein neuer, globaler Kontext für das Lernen
Die weltweite Situation ist heute durch verschiedene Paradoxa geprägt. Die
Intensivierung der ökonomischen Globalisierung hat zwar die Armut weltweit reduziert,
sie führt aber auch zu Wachstumsformen mit geringer Beschäftigung, steigender
Jugendarbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen. Die Globalisierung der
Wirtschaft vergrössert ausserdem Ungleichheiten zwischen und innerhalb der
Länder. Die Bildungssysteme tragen zu diesen Ungleichheiten bei: Sie ignorieren
die Bildungsbedürfnisse von benachteiligten Bevölkerungsgruppen und Menschen in
armen Ländern, während sie zugleich zu einer Konzentration der Bildungschancen bei
wohlhabenden Kreisen führen – und damit hochwertige Bildung und Ausbildung zu
etwas sehr Exklusivem werden lassen. Die aktuellen Muster des Wirtschaftswachstums
– verbunden mit Bevölkerungswachstum und Urbanisierung – strapazieren die nicht-
erneuerbaren Naturressourcen, verschmutzen die Umwelt und führen so zu irre-
versiblen ökologischen Schäden und Klimawandel. Weiter beobachten wir neben
einer zunehmenden Anerkennung von kultureller Vielfalt (sei es historisch bedingt im
Rahmen der Nationalstaaten oder als Folge grösserer Migration und Mobilität) auch
eine drastische Zunahme von kulturellem und religiösem Chauvinismus sowie von
identitätsbasierter, politischer Mobilisierung und Gewalt. Terrorismus, Drogengewalt,
Kriege und interne Konflikte, ja sogar familiäre und schulische Gewalt nehmen zu.
Angesichts dieser Gewalttendenzen stellt sich die Frage, inwiefern Bildung in der
Lage ist, Werte und Haltungen für das Zusammenleben zu formen. Hinzu kommt,
dass aufgrund entsprechender Konflikte und Krisen fast 30 Millionen Kinder ihres
Rechts auf Grundbildung beraubt werden. So entstehen Generationen bildungsferner
zukünftiger Erwachsener, die in der Entwicklungspolitik allzu oft ignoriert werden. Diese
Probleme stellen fundamentale Herausforderungen für das gegenseitige menschliche
Verständnis und den sozialen Zusammenhalt auf der ganzen Welt dar.
Gleichzeitig stellen wir im sich wandelnden Kontext lokaler und globaler Governance
weitergehende Forderungen nach einer Mitsprache in öffentlichen Angelegenheiten
fest. Der spektakuläre Fortschritt in der Vernetzung via Internet, mobile Technologien
und andere digitalen Medien – verbunden mit der Demokratisierung des Zugangs zu
öffentlicher Bildung und der Entwicklung verschiedener Formen von privater Bildung –
verändert die Muster des sozialen, bürgerschaftlichen und politischen Engagements.
Ausserdem verstärkt die grössere Mobilität der Arbeitenden und Lernenden zwischen
Ländern, Arbeitsplätzen und Lernräumen das Bedürfnis nach einer Neubeurteilung
der Art und Weise, wie Lernen und Kompetenzen anerkannt, bestätigt und bewertet
werden.
Die zu beobachtenden Veränderungen wirken sich auf die Bildung aus und
signalisieren die Entstehung neuer, globaler Voraussetzungen für das Lernen. Nicht
alle Veränderungen verlangen nach bildungspolitischen Reaktionen, aber sie sorgen
auf jeden Fall für neue Bedingungen. Dabei braucht es nicht nur neue Praktiken,
sondern auch neue Perspektiven, um die Art des Lernens und die Funktion von Wissen
und Bildung für die menschliche Entwicklung zu verstehen. Dieser neue Kontext des
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Title
- Bildung überdenken
- Subtitle
- Ein globales Gemeingut?
- Editor
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 96
- Category
- Geisteswissenschaften