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3. Bildungspolitik in einer komplexen Welt 61
beits markt in Einklang zu bringen, ist allerdings nichts Neues.94 Ausserdem ist zu
bemerken, dass die Jugendarbeitslosigkeit, obwohl sie ein Missverhältnis zwischen
Bildung, Ausbildung und Beschäftigung aufzeigt, auch mit wirtschaftspolitischen
Entscheidungen und politischen Verantwortlichkeiten zusammenhängt. Gleichwohl
stellen die aktuellen Beschäftigungstrends die seit langem etablierte Beziehung
zwischen formaler Bildung und Beschäftigung in Frage, die dem internationalen
Entwicklungsdiskurs und der entsprechenden Praxis lange Zeit als Rechtfertigung für
Humankapitalinvestitionen diente.
Zunehmende Frustration unter den Jungen
Die Tatsache, dass geeignete Arbeitsstellen knapper werden, frustriert Familien und junge
Ausbildungsabsolventen auf der ganzen Welt. Das steigende Ausbildungsniveau der
jungen Menschen, wie auch der Arbeitskräfte generell, führt zu erhöhtem Wettbewerb
um die vorhandenen Arbeitsstellen. Vor allem in vielen
Ländern des globalen Südens führt die Tatsache, dass
zahlreiche junge Menschen – die oftmals als Erste ihrer
Gemeinschaft vom erweiterten Bildungszugang profitieren
konnten – in einen beschränkten Arbeitsmarkt eintreten, zu
einer verschärften Diskrepanz zwischen den Erwartungen,
die durch die formale Bildung geweckt werden, und der
Realität eines geringen Arbeitsplatzangebots. Viele derer,
die erstmals eine formale Ausbildung beginnen, werden
nicht mehr in den Genuss der erwarteten Vorteile ihrer
Bildungsqualifikationen kommen: eines Arbeitsplatzes
und der Aussicht auf eine bessere Zukunft. In manchen
Gesellschaftssegmenten und in gewissen Ländern wächst
die Desillusionierung in Bezug auf Bildung als effektives
Mittel für sozialen Aufstieg und mehr Wohlstand. Die Hoffnung auf sozialen Aufstieg,
die durch die massive Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten seit den 1990er-Jahren
geweckt wurde, ist nicht nur in vielen Ländern des Südens, sondern auch im Norden
im Rückgang begriffen. Junge Menschen beginnen den «Return on Investment» der
traditionell mit «hohem Status» verbundenen Bildungsweg in Frage zu stellen.95
Hier ist es jedoch wichtig, näher hinzuschauen und ein besseres Verständnis der
Dynamik zu gewinnen, die diesen Übergang der Jungen von der Bildung und Ausbildung
zur Arbeitswelt bestimmt. Die Verlängerung der entsprechenden Übergangszeit
kann verschiedene Gründe haben, die nicht alle auf ein Missverhältnis zwischen
Kompetenzprofilen und Arbeitsmarktbedürfnissen zurückzuführen sind. Obwohl diese
Übergangszeit als wirtschaftlich «unproduktiv» betrachtet werden mag, kann sie für
gewisse Jugendliche auch eine wichtige Periode darstellen, in der sie Erfahrungen
94 Siehe z. B.: Blaug, M. 1965. The Rate of Return on Investment in Education in Great Britain. The
Manchester School. Vol. 33.
95 Facer, K. 2011. Learning Futures: Education, Technology and Social Challenges. New York, Routledge.
In manchen
Gesellschaftssegmenten
und in gewissen
Ländern wächst die
Desillusionierung in
Bezug auf Bildung als
effektives Mittel für
sozialen Aufstieg und
mehr Wohlstand.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Title
- Bildung überdenken
- Subtitle
- Ein globales Gemeingut?
- Editor
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 96
- Category
- Geisteswissenschaften