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Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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als Staatsanwaltsgehilfe« 61. Als »Auskultant« (Gerichtsreferendar) wurde er nach Wels in Oberösterreich versetzt und dem Ersten Staatsanwalt Erwin Budinsky zugeteilt. Bald schon plagten ihn Zweifel an der Anwendbarkeit bzw. »Richtigkeit« des Strafgesetzbuchs, das zu wenig auf die Individualität der Angeklagten bzw. der Verbrechen Rücksicht nimmt, wodurch »soundso viele Anklagen, soundso viele Schuldsprüche in den nebulosen Abgrund der individuellen Fehljustiz« fallen würden (»Alle Menschen sind bekannt- lich vor dem Gesetz gleich. Aber alle Menschen sind bekannt lich elementar ungleich! Da stehen nun die absolut Ungleichen vor dem buchstäb lich glei- chen Gesetz.«).62 Als Staatsanwaltsgehilfe fühlte er sich in dem Moment überfordert, als er einer Hinrichtung beiwohnen musste. Schon zuvor belastete ihn die Tatsache, dass er, frisch aus dem Krieg gekommen, nun in seiner Funk tion als Ankläger genau das verurteilen sollte, was während der Kriegshandlungen als Verdienst galt, und dass ein Zyniker von ihm hätte sagen können: »der Mörder klagte den Mord an.« 63 Allen Skrupeln zum Trotz lässt Lothar die Exeku tion eines verurteilten Straftäters durchführen: Da wird er schon hereingeführt, zwischen zwei Justizwachen, der Gefängnisgeist- liche geht voran. Ein junger Mensch ist es, er schaut zuerst in die falsche Richtung, auf uns, dann in die richtige, auf den Galgen. Sein Gesicht […] bekommt einen unsäg lichen Ausdruck um die schmalen Lippen, als er des Galgens ansichtig wird, er schreit: »Hilfe!« »Sie müssen jetzt sprechen«, sagt einer der Gerichtsleute leise zu mir. Was ich zu sprechen habe, habe ich gelernt: »Ich übergebe den Delinquenten dem Herrn Scharf- richter.« Ich spreche diesen Text als Antwort auf den Schrei: »Hilfe!« […] Dann dreht sich alles um mich, »Ihnen ist von dem Karbidgeruch nicht ganz wohl geworden«, sagt jemand neben mir, da bin ich wieder bei Bewußtsein, und am Galgen hängt der Mann, der »Hilfe!« geschrien hatte, ganz starr.64 61 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 25. – Vermut lich leistete Lothar tatsäch lich nur sein eines freiwilliges Jahr ab, der Heimatschein im Brünner Stadtarchiv vermerkt unter dem Namen Lothar Ernst Müller »als Auskultant beim k. k. Oberlandesgericht in Wien für 7. 12. 1915 nach Wien zuständig« (Heimatschein Josef Müller, Stadtarchiv Brünn). 62 EL: Der Fluch der Hemmungslosigkeit. In: Neue Freie Presse, 6. 9. 1930, S. 1 ff., hier S. 2 f. 63 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 26. 64 Ebd., S. 30 f. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung38 Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Ernst Lothar Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Ernst Lothar
Subtitle
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Author
Dagmar Heißler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20145-8
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
484
Keywords
österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
Category
Biographien

Table of contents

  1. 1. Einleitung 9
  2. 2. Quellenlage 15
    1. 2.1 Primärquellen 15
    2. 2.2 Sekundärquellen 16
  3. 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
  4. 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
    1. 4.1 Kritiker und Kulturfunktionär 53
    2. 4.2 Gegenseitigkeitskorruption und »unerwünschtes Schrifttum« 63
    3. 4.3 Ein »starkfäustiger Ankläger« der Gesellschaft? 79
    4. 4.4 »Des Burgtheaters Sonntagsregisseur« 88
  5. 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
  6. 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
    1. 6.1 Emigrant 135
    2. 6.2 Eine »Österreichische Bühne« in New York 150
    3. 6.3 College-Dozent 174
    4. 6.4 »Amerikanischer« Bestsellerautor 193
    5. 6.5 Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 213
  7. 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
    1. 7.1 »Als Allgewaltiger in Wien«: Amerikanischer Kulturoffizier 243
    2. 7.2 »Literatur-, theater- und Österreich-belastet« 266
  8. 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
    1. 8.1 »Amerikanischer Söldling, Kommunist, Reinhardt- und Hofmannsthal-Schänder«? 293
    2. 8.2 Burgtheaterkrise und Salzburger Festspiele 311
    3. 8.3 Vorstandsmitglied des Wiener P. E. N.-Clubs, Ehrenmitglied der Concordia, Rücktritt als Salzburger Schauspielchef 321
  9. 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
    1. 9.1 Panorama eines österreichischen Schicksals 335
    2. 9.2 Ehrungsreigen 344
    3. 9.3 Der letzte Vorhang 361
  10. 10. Schluss 373
  11. Literaturverzeichnis 385
  12. Anhang 415
  13. Bibliographie Ernst Lothar 415
  14. Selbstständige Publikationen 415
  15. Unselbstständige Publikationen 421
  16. Inszenierungen 464
  17. Zeittafel 467
  18. Personenregister 473
  19. Werkregister 478
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