Page - 46 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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also genau so vor ihm wie vor ihnen; warum machte man sie uns zur Gegenwart? Man
bemerkte bei der Uraufführung die Kulisse nicht nur auf der Bühne, Ernst- Lothar-
Werte wurden lebhaft verlangt und gut aufgenommen, ungebetene Gäste erhoben
zwar Widerspruch, aber man konnte feststellen, daß offenbar wenig Gäste ungebeten
waren, die Presse am nächsten Tag war im allgemeinen freund lich, und die Urauffüh-
rung wird Erstaufführungen nach sich zieh[e]n. Ernst Lothar wird beachtet werden;
währenddessen bleiben so und so viele junge Dichter unbeachtet wie zuvor, und wenn
man auch gar nicht sagen mag, daß sie verkannte Genies sind, so lehnt sich doch ein
Gefühl gegen das soziale Handicap auf. Schattenseiten des Familienlebens in der
Kunst. Man kann nicht einmal dem Theaterdirektor daraus einen Vorwurf machen,
zumal er ja nicht nur ein Geschäftsunternehmer ist, sondern sicher ein Stück, bei dem
er auf Einfuß und Anhang rechnen kann, auch künstlerisch wertvoller finden wird
als ein and’res. Bloß weil Direktor Beer vom Raimund-
Theater […] den kunstgeis-
tigen Theaterleiter prästiert und sich sicher durch diese Uraufführung darin bestärkt
fühlen wird, muß festgestellt werden, daß es die einzige Uraufführung ist, die er im
Laufe eines Jahres gewagt hat. Man hat lange gezielt, aber es hat sich gut getroffen!96
Mit seiner Einschätzung, dass die Uraufführung Erstaufführungen nach sich
ziehen werde, sollte Musil Recht behalten. Das Stück wurde von den Vereinigten
städtischen Bühnen in Frankfurt am Main, den Münchner Kammerspielen, den
Stadttheatern in Köln, Leipzig, Bremen, Brünn und Pressburg zur Aufführung
erworben (1924 führte das Landestheater Meiningen den Vierakter auf).97 Knapp
eine Woche nach der Wiener Aufführung übergab Ernst Lothar »sein neues
Bühnenwerk ›Das bißchen Lachen‹ Herrn Dr. Rudolf Beer zur Uraufführung
am Raimund-
Theater für die kommende Spielzeit« 98. Das bißchen Lachen wurde
hier nie aufgeführt; auch schwächelte bald darauf die Kartennachfrage für das
Drama Ich!, das insgesamt nur sieben Mal gezeigt wurde. Ernst Lothar musste
sich eingestehen, dass er als Bühnenautor wenig erfolgreich war: Das Einzige,
woran er sich in Zusammenhang mit seinem Theaterstück Ich! erinnerte, war,
dass es »jämmer lich durchfiel«.99
Ein weiterer diesbezüg licher Rückschlag oder, wenn man so möchte, eine
erneute Bestätigung ereilte Lothar zehn Jahre später. Der Georg Müller Verlag
96 Robert Musil: »Die Uraufführung des Ich«. Ernst Lothar, »Ich«, Raimund-
Theater. In: Prager
Presse, 7. 3. 1922. – Diese Kritik ist auch abgedruckt in Robert Musil: Prosa und Stücke, S. 1557.
97 Vgl. Brünner Tagesbote, 27. 9. 1924, S. 3.
98 Neue Freie Presse, 2. 3. 1922, S. 7.
99 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 48. 1890 – 1925: Literarische
Nachwuchshoffnung46
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478