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durch die Schaffung von einschlägigen Gesetzen und anderen Wohlfahrtsmaß-
nahmen die Lebensrechte dieses bisher noch nicht zu[l]äng
lich geschützten Kul-
turfaktors dauernd zu gewährleisten« 34. Gedacht wurde an eine Altersversorgung
und die Errichtung eines Künstlerheims für kranke und invalide Künstler; auch
die Verbesserung der gesetz lichen Rahmenbedingungen, um das künstlerische
Schaffen sicherzustellen, etwa durch eine Reform des Urheberrechtsgesetzes, war
ein Anliegen des Verbands. Oberstes Ziel war aber zunächst, eine »selbständige
Vertretung der Künstlerschaft (Kammer) zu erlangen«.
Im April 1928 berief Lothar die erste Sitzung der Sek
tion Literatur des
Gesamtverbands im Künstlerhaus ein. Neben der beabsichtigten Gründung
einer Künstlerkammer war die Formulierung einer Stellungnahme zu dem von
der Regierung geplanten »Schmutz- und Schundgesetz« Thema der Versamm-
lung. Dieses Gesetz sollte im Zuge einer Verfassungsreform den Verkauf von
bestimmten Druckwerken, die »das sitt liche Wohl der Jugend gefährden«, an
unter 18-Jährige verbieten, um sie vor »Schmutz und Schund« zu bewahren.35
Ähn
liches war bereits Anfang der 1920er Jahre ein Thema gewesen, als Schnitzlers
Theaterstück Reigen einen Skandal auslöste, »die erste große Disputa
tion, die erste,
mit großer Anteilnahme der Öffent lichkeit abrollende Machtprobe in Sachen
Zensur« 36. Bei den Reigen-
Vorstellungen in Wien kam es zu Zwischenfällen und
Handgreif
ichkeiten, daraufhin wurden die Aufführungen verboten. Dem Verbot
waren hitzige Diskussionen in der Presse vorausgegangen.37 In Deutschland war
1922 gegen das Stück prozessiert worden; hier mündete die Diskussion über den
»sitt
lichen Auftrag« der Kunst Ende 1926 in ein »Schmutz- und Schundgesetz«.
1928 überlegte nun die österreichische Regierung ihrerseits ein solches Gesetz
nach deutschem Vorbild.38
Die Vertreter der Schriftstellerorganisa tionen erblickten darin »kein wirksa-
mes Mittel im Kampfe gegen Pornographie, sondern einen gefähr lichen Versuch
der Unterdrückung des freien Wortes und unerträg licher Bevormundung des
34 Wiener Zeitung, 25. 5. 1927, S. 7 (inkl. Auszug der am Verband beteiligten Künstlervereinigungen).
35 Vgl. Brief von EL an Anton Wildgans. Wien, 4. April 1928. ÖNB, H 91/85, 1154/50-2; Brief
von Arthur Schnitzler an EL. [Wien,] 7. April 1928. DLA, HS000399144.
36 Alfred Pfoser: Literatur und Austromarxismus, S. 194; vgl. dazu auch ders.: Zur Mentalitäts-
geschichte der Nachkriegszeit in Österreich, S. 222.
37 Vgl. etwa Maximilian Hardens »Gutachten« über den Reigen sowie Lothars Replik darauf
( Maximilian Harden gegen Arthur Schnitzler. Eine Antwort von Ernst Lothar. DLA,
HS000640484).
38 Vgl. Arbeiter- Zeitung, 20. 3. 1928, S. 2.
Kritiker und Kulturfunktionär 59
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478