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künstlerischen Schaffens«;39 immerhin sollte nach den Regierungsplänen eine
fünfköpfige Kommission willkür lich darüber entscheiden können, was Kunst
sei und was nicht. Die Schriftstellervertreter einigten sich in der Versammlung
vom 16. April auf eine Resolu tion, der sich auch die Sek tion Bildende Kunst
des Gesamtverbands schaffender Künstler Österreichs vollinhalt lich anschloss:40
Die Schriftsteller erklärten sich prinzipiell bereit, »jedem Kampf gegen die
Gefährdung der Jugend durch Schund- und Schmutzschriften ihre Unterstützung
zu leihen« 41, erachteten aber den von Bundesrätin Berta Pichl von der Christ-
lichsozialen Partei eingebrachten Gesetzesentwurf für ungeeignet, um dieses
Ziel zu erreichen. Die Resolu
tion endete mit dem Aufruf an die Regierung, das
Gesetz »nicht ohne vorherige Einvernahme mit dem Gesamtverbande schaffen-
der Künstler Österreichs […] der parlamentarischen Behandlung zuzuführen« 42.
Am 16. Mai 1928 fand eine diesbezüg liche Enquete im Bundeskanzleramt
statt, die damit begann, dass Ernst Lothar Bundeskanzler Seipel einen Entwurf
über die Schaffung einer österreichischen Künstlerkammer überreichte, »den der
Kanzler wohlwollend entgegennahm« 43. Danach brachte Lothar die Meinung
des Gesamtverbands zum Ausdruck, wonach die Schaffung eines neuen »Geset-
zes gegen Schund und Schmutz« aus zwei Gründen überfüssig sei: Zum einen
habe das deutsche Gesetz,44 das man übernehmen wolle, versagt, zum anderen
seien in den bestehenden Gesetzen hinläng liche Abwehrmaßnahmen vorhan-
den, man müsse diese nur wirksamer handhaben.45
Am 8. Juni gab es im Bundeskanzleramt eine zweite »Aussprache« zwischen
Vertretern der Regierung und der Schriftsteller,46 in der Letztere nochmals
ihre Posi
tion bekräftigten, »nur Herr Richard Kralik fühlte sich als Klerikaler
39 Neue Freie Presse, 17. 4. 1928, S. 6 f., hier S. 6.
40 Vgl. ebd., 19. 4. 1928, S. 7; Arbeiter- Zeitung, 18. 4. 1928, S. 4.
41 Auf diesen Passus hatte Karl Hans Strobl gedrängt. Vgl. Neue Freie Presse, 17. 4. 1928, S. 7.
42 Ebd., S. 6 f.
43 Ebd. (Abendblatt), 16. 5. 1928, S. 2; Reichspost und Wiener Allgemeine Zeitung, 17. 5. 1928.
44 Die deutsche Oberprüfstelle in Leipzig nannte vier Merkmale, die, um eine Druckschrift
als »Schund« zu stigmatisieren, gegeben sein müssen: »1. Wertlosigkeit; 2. Das Werk muß
schädigend wirken, wobei auch die ahnungslose Weltfremdheit des Betroffenen in Frage
komme; 3. die Schutzbedürftigkeit; 4. muß ein ›den Wirk lichkeitssinn schädigendes‹ Welt-
bild vermittelt werden« (Neue Freie Presse, 9. 6. 1928, S. 4 f., hier S. 5).
45 Vgl. Neue Freie Presse, 9. 6. 1928, S. 4 f., hier S. 4.
46 Vgl. dazu EL: Das Wunder des Überlebens, S. 70 – 73; Aufbau, 6. 6. 1941 sowie Will Schaber
(Hg.): Aufbau – Reconstruc tion, S. 340 f. und Hans Ulrich Lindken (Hg.): Arthur Schnitzler.
Aspekte und Akzente, S. 450 – 454. Vgl. auch Wiener Allgemeine Zeitung, 17. 5. 1928.
1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor
sind«60
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478