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Die Kritiker bewunderten die »prachtvolle Schärfe« der Schilderung, sprachen
von Lothars Roman als »einer nachhaltigen geistigen Bereicherung für den Leser«
und bezeichneten den Autor als »Nachfolger Schnitzlers« 144. Die einen würdig-
ten den »Mut« dieses »Wiener Romans der Nachkriegszeit«, der »weder an dem
Problem der politischen Gesinnung noch an dem des Rassendünkels« vorüber-
gehe,145 die anderen hätten es begrüßt, wenn er »auf das universell-
menschliche
Grundmotiv des Kindes in der zerbrochenen Ehe begrenzt« worden und dem
»politisch- sozialen Einschlag ferngeblieben« wäre.146
Der Roman wurde ins Rus
sische und von Marcel Tarnowski ins Polnische
übertragen. Ins Eng lische bzw. Amerikanische übersetzt von Willa und Edwin
Muir, erschien Little Friend bei dem New Yorker Verleger Putnam und in London
bei Secker. Die amerikanischen Rezensenten lobten die Arbeit der Übersetzer;147
Lothar habe die Charaktere glaubhaft geschildert, über seinen Schreibstil hieß
es: »The style is quite typically German of the lighter order; perhaps the Vienna
atmosphere has crept in, although the story is set in postwar Vienna, not the
older and gayer city of the Hapsburgs.« 148 Kritisiert wurde Lothars Pathos, das
er durch »sophistry and cynicism« abzumildern versuche.149
Wie Lothars Hellseher schien sich auch Kleine Freundin für eine Verfilmung
zu eignen. Berthold Viertel, der nach der Machtergreifung Hitlers nach London
gefohen war und über Vermittlung Alexander Kordas einen Filmvertrag mit der
144 D. B.: Ein Kind und die Welt. Kleine Freundin. In: Arbeiterzeitung, 17. 11. 1931, S. 9. – Oskar
Maurus Fontana: Ernst Lothar. Kleine Freundin. In: Simplicissimus, 37 (1931), S. 438; F. J. M.:
Liselotte, Yvette und andere. Ernst Lothar: »Kleine Freundin.« In: Bildungsarbeit (Wien).
Blätter für das sozialistische Bildungswesen, [11] (1932), S. 20; The Saturday Review, 16. 1. 1932,
S. 462; Ilse Reicke: Kleine Freundin. Roman einer Zwölfjährigen. In: Die Literatur, 35 (1932 – 33),
S. 356; Erich Kästner: Ernst Lothar. Kleine Freundin. In: Der Querschnitt, 12 (1931), S. 865.
145 M. P.: Von alten und neuen Büchern. Ein Kind versteht alles! Ernst Lothars Roman »Kleine
Freundin«. In: Das Kleine Blatt (Wien), 25. 11. 1931, S. 14.
146 b. l.: Von neuen Büchern. Das Kind in der unglück
lichen Ehe. Ernst Lothars »Kleine Freun-
din«. In: Neues Wiener Abendblatt, 20. 11. 1931, S. 5.
147 Kritiken zu Lothars Little Friend: Scribner’s magazine, 94 (1933), S. 64; James T. Farrell: An
Unusual Novel (Book Review of Ernst Lothar, Little Friend). In: New York Sun, 16. 6. 1933,
S. 30; The Observer, 2. 7. 1933, S. 7; 9. 7. 1933, S. 8 und 6. 8. 1933, S. 4; New Republic, 12. 7. 1933,
S. 243; Spectator, 30. 6. 1933; Books, 18. 6. 1933; Na tion, 1. 7. 1933; Saturday Review of Literature,
8. 7. 1933, S. 690; New Statesman, 1. 7. 1933. – The Fortnightly Review druckte Teile des Romans
ab und wies auf die Verfilmung hin. Vgl. The Fortnightly Review, 147 (1937), S. 35.
148 John Selby: Scanning New Books. In: Sarasota Herald, 21. 6. 1933, S. 9.
149 Through a Child’s Eyes. Little Friend. By Ernst Lothar. In: New York Times, 25. 6. 1933, S. 7.
Ebenfalls negativ Kirkus’ Book Review, 16. 3. 1933.
1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor
sind«80
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478