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Gleichzeitig bemĂĽhte er sich um ein Visum fĂĽr Amerika. Allerdings weiger-
ten sich die deutschen Reisepassbehörden in Paris, seinen Pass und den seiner
Tochter als »valid for the United States« abzustempeln. Ende Sommer 1938 bat
er daher die amerikanischen Behörden darum, ihre Affidavits anstelle der Pässe
für die Reise in die USA zu akzeptieren.39 Das Affidavit – eine eidesstatt
liche
Erklärung eines amerikanischen Bürgers, für den Unterhalt eines verwandten
Einwanderers in den USA aufzukommen (Haftungserklärung) –, welches die
Auswanderungswilligen den amerikanischen Konsulaten vorlegen mussten,40
hatte Lothar fĂĽr sich und seine Tochter von Lisa Sachs des Renaudes, seiner in
den Vereinigten Staaten lebenden Exschwiegermutter, erhalten.
Da unklar war, wie lange man auf die Visa warten musste, machte sich Lothar
auf Arbeitssuche. Seine diesbezĂĽg
lichen Unternehmungen blieben aber nicht nur
auf das neue Exil beschränkt, auch die Tschechoslowakei scheint kurzfristig eine
Op
tion dargestellt zu haben. So bewarb er sich neben Rudolf Zeisel, Carl Ebert,
Alwin Kronacher, Hermann Röbbeling und dem Schriftsteller Siegfried Geyer
um die Direk
tion des BrĂĽnner demokratischen Theaters,41 eines Schauspielhauses
in der Redoute am Krautmarkt mit einem Fassungsraum von 630 Personen. Josef
Gajdeczka vom »demokratischen Theaterverein des Neuen Deutschen Theaters
in Brünn« favorisierte Lothar für diesen Posten und fand damit zunächst auch
Zustimmung.42 Doch bereits nach kĂĽrzester Zeit stand fest, dass sich der Plan
einer Leitung des »demokratischen Theaters« durch Lothar zerschlagen hatte:
In der von der Landesbehörde zugestellten Theaterkonzessionsurkunde wurde
ausdrĂĽck lich gefordert, dass der Leiter tschechoslowakischer StaatsbĂĽrger sein
müsse. Die Berufung des Österreichers Lothar sei dadurch unmög
lich, auch
weil der Direktor innerhalb einer Woche bestellt werden mĂĽsse, an eine Repa-
triierung Lothars aber in dieser Frist nicht zu denken sei.43
Nicht nur Freunde in den Vereinigten Staaten oder der Tschechoslowakei suchten
nach Wegen, Lothar zu helfen. Auch Stefan Zweig wurde von seinem Londoner
Exil aus aktiv. Er überlegte, zusammen mit René Schickele einen antifaschisti-
schen Verlag auf interna
tionaler Basis zu betreiben: die »Forum-
Bücherei«. Die
39 Vgl. Affidavit in lieu of passport fĂĽr Ernst Lothar und Johanna MĂĽller. Paris, 31. August 1938.
a. a. O.
40 Vgl. Patrizia Guida- Laforgia: Invisible Women Writers in Exile in the U. S. A., S. 5.
41 Vgl. Hansjörg Schneider: Exiltheater in der Tschechoslowakei, 1933 – 1938, S. 324.
42 Vgl. Brief von Josef Gajdeczka an EL. BrĂĽnn, 25. Juni 1938. WBR, ZPH 922a.
43 Vgl. Brief von Josef Gajdeczka an EL. Brünn, 2. Juli 1938. a. a. O. 1938 – 1946:
Exil144
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478