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»ein[en] österreichische[n] Propagandist[en] im Roman«.226 Er wählte die
Südtirol- Problematik als Thema, um zu zeigen, wie die na tionalsozialistische
Volkstumspolitik zwischen Ideologie und außenpolitischem Opportunismus
schwankte: Hitler erschien es besser, im Tausch gegen ein Bündnis mit Italien
auf Südtirol zu verzichten (Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem)
und die 1920 im Vertrag von St. Germain festgelegte Brennergrenze bzw. den
Verbleib Südtirols bei Italien anzuerkennen. Am 21. Oktober 1939 schloss er mit
Mussolini ein diesbezüg liches Abkommen.227 Die deutschsprachigen Südtiro-
ler mussten sich entscheiden, ob sie nach Deutschland gehen oder in Italien
bleiben wollten. Denjenigen, die für Italien optierten, wurde klargemacht, dass
sie in den Süden Italiens umgesiedelt werden würden und ihre Muttersprache
zugunsten des Italienischen aufgeben müssten. Jene, die sich für eine Aus-
wanderung ins »Dritte Reich« entschieden, mussten mit einer Ansiedelung in
Polen und der Ukraine rechnen. Insgesamt wählten deut lich mehr als 80 Pro-
zent der Südtiroler bei der Op tion (23. Juni bis 31. Dezember 1939) aus Angst
vor Repressalien und Verlust der Bürgerrechte Deutschland als neue Heimat.
Bis zum Abbruch der Umsiedelungsak tion im Oktober 1943 hatten 31 Prozent
der deutschen Volksgruppe Südtirol verlassen, weniger als vier Prozent wurden
in Böhmen angesiedelt.228
Das Buch, das ich vorschlug, richtete sich gegen die Hitler-
Lüge vom Schutz der
deutschen Minoritäten, da es das eklatante Gegenbeispiel der Südtiroler Minorität
zum Thema nahm. Literatur um der Literatur willen – dem feurigen Augenblick in
den kühlen Elfenbeinturm entfiehen, schien mir unter den Umständen sträf ich;
mochte immerhin, was ich machte, der Forderung der Dauer nicht standhalten, der
»Forderung des Tages« […] genügte es – mehr wollte ich nicht. Auch der Schreiber
von Geschichten könne auf seine Art ein Geschichtsschreiber sein, notierte ich mir
damals; nur daß er die Geschichte, die er abschrieb, den Geschichtsgenossen so nahe-
zubringen hat, als erführen sie erst durch ihn, was sie zwar längst wußten, wovon sie
aber nichts wissen wollten.229
in Barrows Musseys Unterlagen Where you belong or the new disorder (vgl. Barrows Mussey
Transla tions, 1940–[1944?]. Princeton University Library, Manuscripts Division).
226 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 181.
227 Michael Wedekind: Na
tionalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien,
S. 39.
228 Ebd., S. 15.
229 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 182.
College-Dozent 181
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478