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Sprache abgesehen, sei die österreichische von der deutschen Kultur und Geis-
teshaltung grundverschieden. Der österreichische Kulturbegriff, so Lothar, sei
dem »Andachtsbegriff« nahe, der deutsche dem Machtbegriff. Der Unterschied
zwischen den beiden Kulturanschauungen datiere »seit der Erschaffung des öster-
reichischen und preußischen Menschen«. Lothar ortet einen »österreichischen
Sinn für Maß, Echtheit, Individualität«, der im Gegensatz zu dem deutschen
dem »Maßlose[n], Angemaßte[n] und Gleichgeschaltete[n]« widerstehe und
die »Überlegenheit der österreichischen Kultur« gegenüber der deutschen ver-
tiefe. Aus dieser »Überlegenheit der österreichischen Kultur des revolu tionären
Geistes und des demütigen Herzens« leitet er dann folgende Ansprüche für das
Nachkriegsösterreich ab:
Im deutschen Sprachraum der Zukunft ist das politisch auf unbedingte Neutra-
lität angewiesene Österreich der Garant für die Erhaltung des […] eigenständi-
gen österreichischen und deutschen Kulturbesitzes. Die Gründe, […] Wien […]
zur Völkerbundstadt zu machen, gelten noch mehr für seine Zukunft als Kultur-
hauptstadt des gesamten deutschen Sprachgebietes. Berlin kann und darf es nicht
mehr sein.450
Unter dem »Schlagwort: Goethes Erbe nach Wien« plädiert er dafür, in der
österreichischen Hauptstadt eine Art Deutsche Kulturakademie einzurichten.
Seine »Kulturphantasien« bleiben nicht unwidersprochen. Berthold Viertel
äußert sich dazu in der Folgenummer der AAT 451 und stellt fest: »Ich verstehe
sehr gut das Heimweh, das etwa einem Theaterlyriker die Vergangenheit nicht
nur in verklärten, sondern auch veränderten Farben erscheinen läßt.« 452 Trotzdem
seien Lothars Ansichten »höchst bedenk
lich« und »reak
tionär«. Seine Forderung
»Goethes Erbe nach Wien« klinge nach »einem preußischen Kommando«, auch
sei eine Deutsche Kulturakademie »zu sehr in Gehrock und Glacehandschu-
hen gedacht«.453 Dennoch bleibt Ernst Lothar auch in einem späteren Artikel
450 EL: Zum Thema Österreich. In: Austro American Tribune, Dezember 1944.
451 Vgl. zu der Debatte zwischen EL und Berthold Viertel auch: Ernst Lothar: Zum Thema Öster-
reich. In: Peter Roessler und Konstantin Kaiser (Hg.): Dramaturgie der Demokratie, S. 74 – 78
(= Nachdruck des Artikels der Austro American Tribune vom Dezember 1944); Konstantin
Kaiser: Zur Diskussion um Kultur und Na tion im österreichischen Exil, S. 1059 f.; Ulrich
Weinzierl: Österreich als Wille und Vorstellung, S. 253 f.; Gerhard Scheit: Scheinland, S. 39;
Johann Holzner: Österreichische Literatur im Exil, S. 102 f.
452 Berthold Viertel: Austria Rediviva. In: Austro American Tribune, Januar 1945, S. 7 f.
453 Ebd. 1938 – 1946:
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Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478