Page - 237 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Image of the Page - 237 -
Text of the Page - 237 -
lebte Lothar bis zum Zeitpunkt seiner Abreise nach Europa sechs Monate »ohne
irgendwelche wirk
liche Arbeit, nur vom ins Leere starren« 513. Erhalten ist aber
die Synopsis zu dem geplanten Roman, und zwar in Form von zwei Exposés, die
allerdings nur minimal voneinander abweichen.514 In dem ersten Entwurf gibt
Lothar eine Kurzfassung der Handlung: Mutter und Tochter wollen ein und den-
selben Mann – und können dieses Dilemma ohne eine Spur der Bitter
keit lösen.
Anfang Juni 1945 fragte der Schoenhof-
Verlag bei Ernst Lothar wegen der deut-
schen Übersetzungsrechte von The Prisoner an.515 Die Schoenhof’s Foreign Books,
Inc. war von dem frĂĽheren Besitzer des Wilhelm MĂĽller Verlags gegrĂĽndet wor-
den. Paul Müller hatte diesen in der Wiener Stiftgasse ansässigen Verlag 1925
geerbt und war bis 1939 dessen Alleininhaber. Im Februar 1939 emigrierte er nach
New York, wo er Geschäftsführer und Ak
tionär bei Schoenhof wurde. Schoenhof
druckte Prosabände zumeist in Aufagen von 3000 oder 4000 Exemplaren und
setzte davon durchweg etwa zwei Drittel ab, mit wenigen Ausnahmen stammten
die Werke von in den USA lebenden Autoren.516 MĂĽller schrieb Lothar, dass er
ein extensives Verlagsprogramm deutschsprachiger BĂĽcher habe, Heinrich Mann,
Lion Feuchtwanger und Ernst Bloch zu seinen Autoren gehörten und dass er sich
freuen würde, auch Lothar dazuzählen zu dürfen. Er sei an Lothars letztem Roman
interessiert und hoffe, dass davon eine deutsche Fassung existiere und man nicht
gezwungen sei, das Buch aus dem Amerikanischen ins Deutsche rĂĽckzuĂĽbersetzen.
Lothar, der ĂĽber die Ăśbersetzungsrechte verfĂĽgte, schloss mit Schoenhof
einen Vertrag ĂĽber die deutsche Ausgabe von The Prisoner ab und bekam dafĂĽr
550 US-Dollar.517 Aber auch an den vorangegangenen und den kommenden
Romanen Lothars war Paul Müller interessiert, schrieb: »[W]e would like
to be your ›Szolnay‹.« 518 Dementsprechend übertrug Lothar dem Verlag die
513 Brief von AG an Heinrich Schnitzler. New York, 10. Mai 1946. a. a. O., 33/20/56/1+2.
514 Synopsis I und II sind einem Brief an Franz J. Horch vom 29. Januar 1945 beigelegt. WBR,
ZPH 922a.
515 Vgl. Brief von Paul Müller (Schoenhof’s Foreign Books, Inc.) an EL. Cambridge, Mass., 6. Juni
1945. WBR, ZPH 922a. – 1940 lag Deutsch »unter allen Sprachen, die in den USA gespro-
chen wurden, an zweiter Stelle hinter Eng
lisch. Damals sprachen insgesamt fĂĽnf Millionen
Amerikaner Deutsch« (Gerhard Graml: Kulturtransfer zwischen Österreich und den USA,
S. 42).
516 Vgl. Wulf Koepke: Exilautoren und ihre deutschen und amerikanischen Verleger in New York,
S. 1433.
517 Brief von Paul MĂĽller an EL. Cambridge, Mass., 21. Juni 1945. WBR, ZPH 922a.
518 Brief von Paul MĂĽller an EL. Cambridge, Mass., 12. Juni 1945. a. a. O.
Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 237
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478