Page - 272 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Image of the Page - 272 -
Text of the Page - 272 -
einen Nebenschauplatz, eine Übergangszeit darstellte.« 163 Kontroverse politische
Schlüsselpassagen des Buchs wurden in der Verfilmung ausgespart oder anders
dargestellt.164 Diese Unterschiede zwischen Roman und Film können auch als
Spiegel des Stimmungswechsels in Österreich gewertet werden, »als Zeichen
dafür, dass bereits 1948 das Bestreben nach Aufarbeitung abgenommen und die
Bereitschaft zum Vergessen und zur mög
lichst reibungslosen Wiedereingliede-
rung der (ehemaligen) Na tionalsozialisten zugenommen hatte« 165.
Natür lich fielen diese Abweichungen und Aussparungen sowohl dem Kino-
publikum als auch den Rezensenten auf,166 immerhin hatte der Roman ja die
höchste Verkaufsziffer des Jahres 1947 erzielt. Die kommunistische Presse lobte
die Romanvorlage Lothars als ein »realistisches, gesellschaftskritisches Werk«,
das zwar einige Verfachungen aufweise, kritisierte aber den »reak tionären« Film
heftig (»ein gutes Buch, ein schlechter Film«).167 Otto Horn, der den Film für
das Österreichische Tagebuch, eine »Wochenschrift für Kultur, Politik, Wirtschaft«,
besprach, meinte dazu:
Die lauten Stimmen, die sich darüber beklagen, diese österreichische Kavalkade sei
nicht korrekte österreichische Geschichte, klingen umso eigenartiger, als dieselben
Sprecher auf die Unterschiede zwischen Hartl- Film und Lothar- Roman hinwei-
sen. Und wer dieses Buch kannte, durfte mit Fug und Recht nicht österreichische
Geschichte erwarten. Warum also den Filmproduzenten Vorwürfe machen, die doch
163 Karin Moser: »Frauen sind da doch wieder anders …«, S. 310.
164 Jörg Thunecke: »Bucina Angelica«, S. 84. Vgl. auch Christian Dewald (Hg.): Über Ruinen
zu neuem Leben/Kontinuitäten. – Anläss lich der Wiener Erstaufführung rechtfertigte Karl
Hartl den neuen Schluss des Films: »Bei Lothar frei
lich klingt der Roman mit dem traurigen
Jahr 1938 aus, das dem Wiener Bürgerhaus des Klavierfabrikanten Alt den Untergang bringt.
Jetzt, wo wir alle dabei sind, ein neues Österreich aus den Trümmern einer im Chaos versun-
kenen Welt zu bauen, sollte mein Film freund licher in die Zukunft weisen, weshalb ich ihn
mit einem optimistischen Blick auf die junge, aufbauwillige Genera tion schloß« (Weltpresse,
13. 10. 1948).
165 Birgit Scholz: Bausteine österreichischer Identität, S. 155. Vgl. dazu auch Ruth Beckermann
und Christa Blümlinger (Hg.): Ohne Untertitel. Fragmente einer Geschichte des österrei-
chischen Kinos, S. 376.
166 Österreichische Kino-
Zeitung, 23. 10. 1948, S. 4. Vgl. auch: Demokratisches Volksblatt, 20. 8. 1948,
S. 6; Weltpresse, 20. 8. 1948; Salzburger Nachrichten, 21. 8. 1948, S. 23. – Weitere Rezensionen:
Arbeiter- Zeitung und Wiener Tageszeitung vom 17. 10. 1948; Welt am Abend. Das österrei-
chische Abendblatt, 18. 10. 1948; Tiroler Neue Zeitung und Mein Film vom 30. 10. 1948.
167 Auszug aus dem Salzburger Tagblatt, zitiert nach Karl Müller: Zäsuren ohne Folgen, S. 233.
Vgl. auch Wiener Tageszeitung, 17. 10. 1948; Wiener Montag, 18. 10. 1948.
1946 – 1950:
Rückkehr272
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478