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Lothar in seinen Memoiren ganze Passagen wortwört lich aus dem Roman.
Allerdings gibt es auch wesent
liche Unterschiede: Der Held des Buches ist der
dem Geldadel entstammende Wiener Jurist Felix von Geldern, der Österreich
1938 aus mora lischen Überlegungen verlässt, da es ihm »unerträg lich [war],
Deutscher zu werden« 195. Auch ist es für den Romanhelden eine auf 36 Tage
befristete Rückkehr nach Wien,196 um die Geschäftsangelegenheiten seiner
Familie zu regeln und Entschädigungs- bzw. Rückerstattungsansprüche gel-
tend zu machen. Danach kehrt er nach New York zurück. Anderen Emigranten
gegenüber betont er: »Ich bin von meiner Reise nach Österreich mit gemisch-
ten Gefühlen zurückgekehrt. Es kann nicht geleugnet werden, daß Österreich
bitter gelitten hat. Aber es wäre ebenso unaufrichtig zu behaupten, daß es aus
seinem Unglück die Lehre zog. Ich bin, ich gestehe es offen, mit unend lichen
Erwartungen hingefahren. Ich kehre mit ebensolcher Enttäuschung zurück.« 197
Ernst Schönwiese war von diesem Roman besonders angetan, wie er Lothar
gegenüber nach dem ersten Durchlesen des Manuskripts betonte: Zeitgefühle
seien »in so glänzender Weise« verdichtet, »Geist, Gefühl und Atmosphäre
dieser ersten Jahre nach dem Krieg eingefangen wie nirgends sonst«, Lothar
sei es gelungen, »alle Fragen der Nachkriegszeit – Nazi-
Schuld oder -Unschuld,
DPs,198 Volksdeutsche, Juden-
Problem usw. –« in dem Buch »einzufangen und
Gestalt werden zu lassen«, der Roman habe daher, wie alle anderen Bücher
Lothars auch, eine »nicht hoch genug zu veranschlagende pädago gische, erzie-
herische Bedeutung«, wobei er »niemals in Tendenz oder irgend auch noch so
geringe Einseitigkeit« verfalle.199
der Gewissenskonflikt bezüg
lich der Zugehörigkeit zum neuen Heimatland Amerika und
der alten Heimat Österreich (der im Roman u. a. anhand der Liebesgeschichte zwischen dem
Rückkehrer und einer ehemaligen Goebbels- Geliebten dargestellt wird).
195 EL: Die Rückkehr, S. 25.
196 Obwohl die Romanhandlung im Sommer 1946 angesiedelt ist, berücksichtigt der Erzähler
insgesamt den Zeitraum 1946 bis 1949, er greift u. a. die Volksgerichtsprozesse dieser Jahre auf
und bringt Reflexionen über die (amerikanische) Entnazifizierungspolitik (ebd., S. 259 – 269).
197 Ebd., S. 524.
198 DP = engl. Displaced Persons: Bezeichnung für »Zivilpersonen, die sich aus Kriegsfolgegründen
außerhalb ihres Staates befinden; die zwar zurückkehren oder eine neue Heimat finden wollen,
dieses aber ohne Hilfestellung nicht zu leisten vermögen« (Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene,
KZ-Insassen, Flüchtlinge, die 1945 von den alliierten Truppen befreit oder in Deutschland
und Österreich aufgefunden worden waren). Vgl. Wolfgang Jacobmeyer: Vom Zwangsarbeiter
zum heimatlosen Ausländer, S. 16.
199 Brief von Ernst Schönwiese an EL. Salzburg, 15. Mai 1949. WBR, ZPH 922a.
1946 – 1950:
Rückkehr276
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478