Page - 298 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Nach der Neuaufage der Zeugin und der Neuerscheinung Verwandlung durch
Liebe vergingen drei Jahre, bevor Lothar wieder als Schriftsteller in Erscheinung
trat. Den Großteil seiner Zeit und Energie steckte er in seine Theateraktivitäten.
Im Herbst 1951 führte er im Ronacher bei Grillparzers Drama Ein treuer
Diener seines Herrn in seiner Einstudierung von 1935 Regie,26 Anfang Februar
1952 inszenierte er, ebenfalls im Ronacher, Gerhart Hauptmanns Drama Vor
Sonnen
untergang mit Werner Krauß in der Hauptrolle.27 Lothar entschied sich
für die fünfaktige Version der Buchausgabe als Basis seiner Inszenierung,28
obwohl die kürzere (vier Akte) als die bühnenwirksamere gilt. Die Kritiken
gaben ihm recht,29 die Vorstellungen waren gut besucht, das Drama gehörte zu
den Erfolgsstücken des Burgtheaters in der Spielzeit 1951/1952.30
Genau zu dieser Zeit ging es Adrienne immer schlechter, sie litt an Depres-
sionen, einer Art »hypochondrischer Melancholie«, und wurde schließ
lich im
Mai in eine Schweizer Klinik eingewiesen, in der sie mit hohen Dosen Insulin
behandelt wurde.31 Diese Therapie war nicht erfolgreich, Lothars Frau war zu
diesem Zeitpunkt suizidgefährdet.32 Lothar hatte sie in die Schweiz begleitet,
war aber, sobald es ihr etwas besser ging, nach Salzburg gefahren, denn er sollte
dort Hofmannsthals Jedermann neu inszenieren.33 Mit der Übernahme der
Jedermann-
Regie löste er Helene Thimig ab, die das Stück fünf Jahre lang, von
1947 bis 1951, für die Salzburger Festspiele inszeniert hatte:
26 Wiener Kurier, 10. 10. 1951; Volksstimme und Die Presse vom 11. 10. 1951; Die österreichische
Furche, 30. 10. 1951, S. 6 f.
27 Das Typoskript des Hauptmann’schen Dramas mit handschrift
lichen Eintragungen findet sich
in Ernst Lothars Nachlass. WBR, ZPH 922a.
28 Vgl. dazu EL: Das Wunder des Überlebens, S. 426 f.
29 Vgl. auch Alfred Polgars Kritik zu diesem Theaterabend (Wolfgang Drews: Alfred Polgar, S. 383);
Wiener Kurier und Neues Österreich vom 5. 2. 1952; Die österreichische Furche, 9. 2. 1952, S. 6;
Der Mittag (Düsseldorf), 14. 2. 1952.
30 Vgl. Forum, 22 (1955), S. 369 f., hier S. 370; Brief von Erhard Buschbeck an EL. Wien, 25. März
1952. WBR, ZPH 922a.
31 Adrienne Gessner: Ich möchte gern was Gutes sagen, S. 220 – 229.
32 In Ernst Lothars Nachlass finden sich zwei Abschiedsbriefe Adriennes, die eine Art Testa-
mentsentwurf darstellen und in denen sie sich die Schuld am Tod von Lothars Töchtern gibt
(Zürich, 29. Mai 1952) und schreibt, dass ihr Lebenswille gebrochen sei (o. O., 29. Juni [1952]):
»Was wissen die Ärzte und was weiß irgendwer von psychischen Leiden, wenn er es nicht selbst
erlitten hat.«
33 Ernst Lothar berichtet über seine Zeit als Jedermann- Regisseur in seiner Autobiographie in
einem eigenen, Jedermann oder: Die Künste von Hellbrunn überschriebenen Kapitel (EL: Das
Wunder des Überlebens, S. 389 – 399).
1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«298
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478