Page - 316 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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zum Rücktritt zu bringen, – R[ott] (der Sozialist ist) war ja der Herr, der mich damals,
1947, für »untragbar« erklärt u. mich nie gegrüßt hatte –, glaube ich bestimmt. Meine
durch die Nacht bestärkte Regung und Überlegung, zurückzutreten […].123
Seine Rücktrittspläne tauschte er letzt
lich aber doch gegen Forderungen gegen-
über dem Burgtheater ein, die dieses schließ lich auch erfüllte.124 Lothar fasste in
Amsterdam den Entschluss, dass er, falls man sich wegen der bevorstehenden
Saison (für die er noch einen Vertrag hatte) an ihn wenden sollte, den Titel eines
Oberregisseurs und eine Erhöhung seiner Bezüge verlangen werde: »[W]ird
das, wie ich erwarte, abgelehnt, dann werde ich – nach meinem Vertragsrecht –
jedes mir angebotene Stück ablehnen.« 125
Als also die erste Aufführung der Liebelei während des Burgtheater-
Gastspiels
in Holland über die Bühne ging, war Lothar »von einem äußersten Unlust
gefühl
befallen, von Verdrossenheit und Ekel« 126. Über seine Liebelei- und Komtesse
Mizzi-
Aufführungen in Amsterdam berichtet er zwiegespalten, dass der Abend
ein großer Erfolg war, obwohl er »über die erste erschienene Kritik recht trost-
los« war:
[S]oviel ich davon verstehe, ist sie für mich und Liebelei miserabel, nur für Komtesse
Mizzi gut. […] Ich hatte so gehofft, meinen Kredit in Wien durch einen auswärti-
gen Erfolg zu stärken, auch das scheint fehlgegangen. Dabei haben mich gestern die
Fremdesten stürmisch beglückwünscht! Überall Feindseligkeit.127
123 Brief von EL an AG. Amsterdam, 1. Juli 1954. a. a. O.
124 Ende des Jahres hatte Lothar mehr oder weniger die Erfüllung all seiner Bedingungen in
den Vertragsentwurf hineinverhandelt (und auch bereits seine Pensionsansprüche geklärt),
Anfang 1955 hätte der Vertrag unterzeichnet werden können (vgl. Brief von EL an AG. Wien,
29. Dezember 1954), doch wollte Lothar das Recht haben, ihm zur Inszenierung angebotene
Stücke abzulehnen, worauf die Burgtheaterdirek tion nicht einging. Sie fügte in den Vertrag
vielmehr einen Passus ein, wonach Lothar alle Stücke zu bearbeiten habe, die ihm die Direk-
tion zuweise, woraufhin Lothar seine Unterschrift verweigerte (vgl. Brief von EL an AG. Wien,
23. Februar 1955). Schließ
lich machte Lothar seine Zustimmung von einem Burgtheater-
Vertrag
für seine Frau abhängig (vgl. Brief von EL an AG. Badgastein, 22. September 1955). Bis der
Vertrag endgültig unter Dach und Fach war, dauerte es bis Anfang Oktober 1955 (vgl. Brief
von EL an AG. Wien, 5. Oktober 1955. WBR, ZPH 922a).
125 Brief von EL an AG. Amsterdam, 4. Juli 1954. WBR, ZPH 922a.
126 Brief von EL an AG. Amsterdam, 2. Juli 1954. a. a. O.
127 Brief von EL an AG. Amsterdam, 3. Juli 1954. a. a. O. [Kursivsetzung nicht im Original, son-
dern von mir vorgenommen.].
1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«316
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar Heißler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478