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widersprüch licher, zum Teil sogar gehässiger Angriffe in der Presse«, die wie
eine »sicht lich dirigierte Kampagne« erschienen.215 Nicht nur der Misserfolg
mit dem Hofmannsthal’schen Turm, auch die ständigen Anfeindungen seiner
Jedermann-
Inszenierungen, die von Kritikern als »verstaubt« und »antiquiert«
bezeichnet wurden, sowie kritische Stimmen aus dem Festspieldirektorium
selbst 216 bewirkten Lothars Entschluss, seine Arbeit bei den Salzburger Fest-
spielen zu beenden und sich aus allen damit in Zusammenhang stehenden Posi-
tionen zurĂĽckzuziehen:217
Und nachdem die Lotharsche »Jedermann«-Inszenierung ein paar Jahre gelaufen ist
und irgendwer von oben meint, nun solle mal ein anderer ’ran, wird der Regisseur
auf folgende Weise davon in Kenntnis gesetzt: Im größten Salzburger Blatt erscheint
eine Kritik seiner letzten »Jedermann«-Inszenierung, in der sein Abtreten verlangt
wird.218 Später stellt sich heraus, daß diese Kritik bereits drei Tage vorher »bestellt«
worden war, in einer Sitzung, an der hohe und höchste Beamte teilgenommen hatten.219
Nach seinem RĂĽcktritt als Schauspielchef schlug Lothar Leopold Lindtberg als
seinen Nachfolger vor.220 Neuer Beauftragter fĂĽr das Schauspiel wurde allerdings
Ernst Haeusserman. Kurzfristig kursierten GerĂĽchte, dass Lothar als Nachfolger
Puthons Präsident der Salzburger Festspiele werden sollte. In diesem Fall hätte
aber die Gefahr bestanden, dass Oscar Fritz Schuh seine künstlerische Tätig-
keit in Salzburg abbrechen könnte. Lothar selbst, der von seiner angeb lichen
215 Neues Ă–sterreich, 2. 8. 1959.
216 In einem Vortrag vor dem Bund sozialistischer Akademiker sprach ein Mitglied des Festspiel-
direktoriums von einer notwendigen »Entstaubung« der Jedermann- Inszenierung; der dama-
lige Salzburger Kulturlandesrat Kaut bedauerte »in einem Vortrag im Salzburger Presseklub,
daß man die dicke Staubschicht, die auf der Aufführung lag, noch immer nicht weggeräumt
habe« (Josef Kaut: Die Salzburger Festspiele 1920 – 1981, S. 49).
217 Als Lothar Anfang November 1959 seinen Entschluss, seine Arbeit in Salzburg zu beenden,
öffent
lich kundtut, schreibt Adrienne am 11. November an Heinrich Puthon, der sich ob Lothars
Schritt überrascht zeigt, dass es ihrer Meinung nach für ihren Mann nicht gut wäre, weiterhin
für die Festspiele zu arbeiten. Es habe ihn zu sehr aufgeregt und gekränkt: »Die ›Jedermann‹[-]
Kampagne, die ja schon im Winter 1952 an einem Wiener Kaffeehaustisch begann, hat reiche
Früchte getragen«, stellt sie in Anspielung u. a. auf Hans Weigels Aktivitäten fest.
218 Vgl. dazu: Brief von Ernst Ginsberg an EL. o. O., 24. August 1959 und Brief von EL an Ernst
Ginsberg. ZĂĽrich, 27. August 1959. WBR, ZPH 922a. Vgl. auch EL: Das Wunder des Ăśber-
lebens, S. 398.
219 Die Zeit, 5. 5. 1961, S. 18 f., hier S. 19.
220 Vgl. Brief von Leopold Lindtberg an EL. Wien, 4. November 1959. WBR, ZPH 922a.
1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der
unerbittlichste«332
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ernst Lothar
- Subtitle
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Author
- Dagmar HeiĂźler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 484
- Keywords
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Category
- Biographien
Table of contents
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478