Page - 64 - in Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Image of the Page - 64 -
Text of the Page - 64 -
64 Mitglieder des Professorenkollegiums erhielten damit die Möglichkeit, einen Kol-
legen aus Großbritannien ad personam dem BMfU vorzuschlagen.28 Die weitere
Abwicklung des Austauschs organisierte dann die Staatsverwaltung. Die Auswahl
der Professoren lag zunächst jeweils bei Ministerium bzw. Council, später bei einer
Art Ad-hoc-Gremium, das aus Mitgliedern beider Institutionen zusammengesetzt
war.29 Die Kosten wurden aus dem laufenden Budget des Ministeriums getragen.
Auf Basis welcher Kriterien die Auswahl der Gäste aus den Wunschlisten
der Professorenkollegien erfolgte, lässt sich aus den Akten nicht nachvollziehen.
Nachdem die Einladungen an die britischen Kollegen ergangen waren, standen
das Suchen eines geeigneten Termins und die Platzierung an den österreichischen
Hochschulen an. Wieder übernahm das Ministerium die Koordination.30 Der
Aufenthalt der Gäste beschränkte sich in der Regel auf drei bis vier Wochen und
umfasste mehrere Vorträge an verschiedenen Hochschulen.
Die einzelnen Etappen der Ankündigung, der Auswahl und der Platzierung der
Wissenschaftler organisierte das Bundesministerium für Unterricht das Programm
nebenbei.31 So war voller Zugriff auf das Programm bei minimalem Aufwand
gewährleistet. Für die Professoren an Österreichs Universitäten wiederum war die
Situation jedenfalls bequem: Sie erstellten Wunschlisten und gingen, so sie Lust
hatten, zu den Gastvorträgen. Ansonsten standen sie nicht in der Verantwortung.
Offenbar gab es weder vom British Council noch dem Ministerium konkrete
inhaltliche Präferenzen für bestimmte Disziplinen. Welche britischen Gastprofes-
soren wurden eingeladen, und welche kamen nach Österreich? Wenn wir die für
die Studienjahre 1952/53 bis 1954/55 vorliegenden Einladungslisten des Ministe-
riums ansehen, stellen wir fest, dass hier vor allem Professoren aus philologischen
(Germanistik und Anglistik) sowie natur- und technikwissenschaftlichen Fächern
ausgewählt worden waren.32 Jede Hochschule in Österreich wurde bedient. Von
den Professoren, die für eine Platzierung an der Universität Wien vorgesehen
waren, finden sich immerhin fünf in den Universitätsberichten – aber nur einer in
demselben Studienjahr, für das er ursprünglich eingeladen wurde.33 Die anderen
vier Gäste kamen entweder zu einem späteren Zeitpunkt oder waren bereits davor
in Österreich gewesen.34
Das zweistufige britisch-österreichische Auswahlverfahren war so konstruiert,
dass es die Einladung von der österreichischen Wissenschaftskonstellation zuträg-
lichen Personen begünstigte. Außerdem wurden die Einladung von Vertretern von
Fächern und Studienrichtungen bevorzugt, die an österreichischen Hochschulen
bereits etabliert waren. Entscheidend waren wohl bestehende Netzwerke zwischen
österreichischen und britischen Professoren. Die staatlichen Stellen, die letztlich
die konkrete Auswahl aus den unterbreiteten Vorschlägen vornahmen, sorgten
dafür, dass nur politisch zuverlässige Personen als Gäste infrage kamen.
Öffentlichkeitswirksame Repräsentation funktioniert im Rahmen von großen
Einzelveranstaltungen. Die Gastaufenthalte waren zeitlich auf zwei bis vier Wochen
begrenzt und auf die Abhaltung von Gastvorträgen ausgerichtet. So kabelte Ludwig
Ebert, Vorstand des Chemischen Laboratoriums, in Vorbereitung eines Gastvor-
trags am 10. Mai 1954 an das Dekanat der philosophischen Fakultät der Universität
Wien:
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117