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76 stellers Hugo Bettauer) und Ressentiment gegenüber einem früheren Österreicher,
von dem man „nichts weiss“, gemischte Ablehnung Parkers zu begründen.11
Gelogen hatte Verdroß-Droßberg mit seinem Hinweis auf die „Grundsätze“
nicht: Das Fulbright Program sah bei Bewerbungen von amerikanischen Kandi-
datInnen tatsächlich die verbindliche Unterscheidung zwischen naturalized und
native Americans vor. Das bedeutete, jeder Bewerber um einen Grant in den Kate-
gorien Visiting Lecturer und Research Scholar hatte anzugeben, ob er in den USA
geboren war oder eingebürgert worden war und, falls Letzteres zutraf, woher er
stammte und wann er amerikanischer Staatsbürger geworden war.
Diese Vorgabe resultierte unmittelbar aus dem kulturdiplomatischen Anspruch
des Fulbright Program. Die amerikanischen Stellen sprachen offen aus, dass der
Auswahlprozess nicht ausschließlich auf die wissenschaftliche Expertise der Kan-
didatInnen konzentriert wurde: „In making its recommendations, the Conference
Board Committee gave special attention to the personality of the candidate, his
representation of American life and scholarship, and his fluency in German.“12
Solche weiche Kriterien standen also neben der wissenschaftlichen Reputation
und der sprachlichen Kompetenz der BewerberInnen. Natürlich sollten die US-
amerikanischen Gäste nicht nur wissenschaftlich ausgewiesen, sondern auch ihrer
Rolle als „Cultural Ambassadors“ (Jackson 1996, 31) gerecht werden. Aufgrund
des politischen Klimas der 1950er Jahre in den USA (McCarthy, Loyalitätsschwüre
an vielen Universitäten) waren diese weichen Kriterien vermutlich unumgänglich.
Zugleich verlangten sie dem BFS einen ständigen Balanceakt ab, damit das Ful-
bright Program von der amerikanischen Wissenschaftsgemeinschaft weiterhin als
wissenschaftlich legitim erachtet wurde.13
Der Kommission in Wien räumten diese weichen Bestimmungsgrundlagen
einen zuweilen überraschend großen Spielraum bei der Vergabe von Grants ein.
Das Beispiel Reginald Parkers zeigt, dass einige österreichische Mitglieder in der
Kommission diesen Spielraum geltend zu machen beabsichtigten. Eine besondere
Rolle nahm dabei Alfred Verdroß-Droßberg ein, der in den ersten Jahren des Ful-
bright Program der österreichische Experte für Social Sciences war, womit ihm in
der Kommission zusätzliches Gewicht zugekommen sein dürfte.14 Der Einspruch
gegen Parker war nicht seine einzige Intervention. Parker war selbst bereits als
Ersatz für den ursprünglich nominierten Politikwissenschaftler Franz B. Schick
vorgeschlagen worden. Gegen diesen hatte Verdroß im Rahmen einer Kommis-
sionssitzung ebenfalls Einwände geltend gemacht:
„Gegen den Besuch des nachträglich namhaft gemachten Prof. S. B. Schick
[sic!] wurden seitens des Prof. Dr.Verdroß Bedenken geäussert. Er wurde
dem Rektorat der Univ. Innsbruck am 9.7. telefonisch noch nominiert, die
diesbezügliche Stellungnahme wird erst abgegeben werden.“15
Verdroß-Droßberg war, wie sein Lehrer Hans Kelsen, in der internationalen Wis-
senschaftswelt gut vernetzt. Er kannte beide, Parker und Schick, ersteren wohl
persönlich aus der gemeinsamen Zeit in Wien, letzteren zumindest aus wissen-
schaftlichen Artikeln. Warum wehrte er sich gegen die Platzierung dieser beiden
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117