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Zunächst verblüfft diese Passage: Von den in diesem Programmjahr verliehenen
zehn Grants waren nur zwei der ausgewählten Personen nicht in den USA gebo-
ren.36 Was die Kommission mit obigem Kommentar meinte, wird erst klar, wenn
man sich die einzelnen Etappen von der Bewerbung bis zur Auswahl der vorge-
schlagenen KandidatInnen durch die Fulbright Commission ansieht.
Demzufolge waren 61 Bewerbungen für eine Position im Bereich der Wis-
senschaftlerInnen eingelangt. 25 davon waren in Europa geboren, das entsprach
einem rund 40-prozentigen Anteil. Bei der ersten Selektion durch CBC und
BFS hatten sich diese eigenen Angaben zufolge bemüht, „to maintain a reaso-
nable balance between scholars of American and foreign birth“.37 Der Fulbright
Commission in Wien wurden schließlich 17 Personen als potentielle Grantees
vorgeschlagen. Von diesen KandidatInnen waren vier im deutschsprachigen
Raum geboren, drei in anderen europäischen Ländern, immer noch mehr als 40
Prozent des Gesamtvolumens an vorgeschlagenen Grantees.38 Bei dem von der
Kommission in Wien geleiteten Auswahl- und Platzierungsprozess wurde dann
aber der Anteil der naturalized Americans an den tatsächlich platzierten Gran-
tees beträchtlich gesenkt, auf einen Anteil von nur noch einem Fünftel (zwei von
zehn).
In der zuvor zitierten Stelle meinte die Kommission in Wien also nicht, die
eigene Auswahl- und Platzierungspolitik, sondern die des CBC sowie des BFS
kritisch kommentieren zu müssen. Zumindest im Jahrgang 1958/59 erwies sie
sich als eifrige Akteurin bei der Einhaltung der Balancierung der eingebürger-
ten und gebürtigen AmerikanerInnen. Zwar sind Verallgemeinerungen auf eine
generelle Strategie der Kommission aufgrund fehlender Angaben39 und aufgrund
des Umstandes, dass es Programmjahre gab, in denen der Anteil von in Europa
geborenen WissenschaftlerInnen an den Grantees bedeutend höher war,40 nur
eingeschränkt möglich. Aber rechnen wir über den Untersuchungszeitraum den
durchschnittlichen Anteil von naturalized Americans an der Gesamtzahl der in
den Kategorien US-Visiting Lecturers und Research Scholars tatsächlich verge-
benen Grants aus, dann erhalten wir (wieder) etwas mehr als zwanzig Prozent.41
Dies dürfte der Wert gewesen sein, den die Kommission für angebracht hielt.42
Ist nun – zumindest für die zweite Hälfte der 1950er Jahre – vorsichtig geschätzt
davon auszugehen, dass von den ursprünglichen BewerberInnen rund ein Drittel
in Kontinentaleuropa geboren war, dann können wir den personalpolitischen Ein-
griff der Kommission deutlich erkennen.
Dementsprechend äußerte sich auch Generalsekretär Porhansl anlässlich einer
Visite verschiedener mit dem Fulbright Program verknüpfter Einrichtungen in
den USA. In einem Bericht über seine Reise schrieb er, er habe das BFS informiert
über
„[…] the Commission’s firm stand in the questions of German language
qualifications and its decision to give preference to applications for awards
in this country by American born candidates over those born and raised
in Austria.“43
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117