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86 dem Akt nicht hervorgeht, ob er an der Sitzung teilgenommen hat). Nach einem
solchen Vorspiel können wir uns lebhaft vorstellen, dass Fords Aufnahme an der
Fakultät nicht besonders herzlich gewesen sein dürfte.
Eine positive Reaktion der Kollegien zu erhalten war generell schwierig. Nur
selten drehte sich diese Einstellung und ließen die Professoren ein aktives Bemü-
hen um einen Gast erkennen. Eine Ausnahme war etwa, was Hubert Rohracher
als Gastgeber des Wirtschaftspsychologen Michael Erdelyi an die Kommission
schrieb:
„Obwohl auf die Studenten keinerlei Zwang ausgeübt wurde [sic!], waren
die Vorlesungen ständig sehr gut besucht […]. Prof. Erdelyi hat sich ausser-
dem eifrig an meinem Seminar über ausländische Fachliteratur beteiligt
und an den laufenden Institutsarbeiten regen Anteil genommen. Seine
Tätigkeit in Wien bedeutete für den Psychologie-Unterricht einen wirkli-
chen Gewinn, weil die von ihm gelehrten Spezialfächer bei uns nur unzu-
länglich vertreten sind.“58
Beim Soziologen Ernest Manheim dagegen gab der zuständige Dekan Theodor
Pütz erst nach monatelangen Bemühungen des Dozenten Leopold Rosenmayr und
nach telefonischer Intervention durch Anton Porhansl eine spröde Stellungnahme
ab, wonach seine Fakultät es „sehr begrüssen würde, wenn Herr Prof. Dr. Ernest
Manheim im Sommersemester 1956 an unserer Fakultät als Gastprofessor eine
Vorlesung über moderne Soziologie […] halten würde.“ Das war am 29. Februar;
der Dekan fügte pflichtversessen hinzu:
„Da die Vorlesungen am 1. März beginnen, wäre es zweckmäßig, wenn […]
Manheim sich möglichst bald mit mir in Verbindung setzen würde, damit
die ev. Ankündigung seiner Vorlesung nicht zu spät erfolgt.“59
Manheims schriftliche Eingabe, in der er um eine Verlängerung seines Aufenthalts
ansuchte, war schon Ende November des Vorjahres eingegangen. Die Kommission
hatte Ende Jänner positiv über seinen Antrag befunden. Immerhin war man bereit,
Manheim nun doch noch zu platzieren – in einem ersten Anlauf hatte das Profes-
sorenkollegium der Kommission noch eine Abfuhr erteilt.60
In Ausnahmefällen ging es freilich auch anders. Anthony E. Sokol brachte
mehrere unschätzbare Vorteile mit sich: Er war ein expliziter Personalwunsch der
rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, als Experte
für Internationales Recht kam er wohl auch den Juristen zupass. Auch war er
einer jener ehemaligen Landsmänner, die das Land schon so früh verlassen hat-
ten, dass die zurückgebliebenen Professoren nicht befürchten mussten, von ihm
an jene Zeit erinnert zu werden, über die sie sich selbst nur sehr ungern äußer-
ten. Mit anderen Worten: Er war ein Emigrant, der ihnen kein schlechtes Gewis-
sen verursachen würde.61 Eingeladen war Sokol zunächst für das Programmjahr
1957/58. Er bewarb sich aber schon für das vorhergehende Programmjahr und
schaffte es durch den Auswahlprozess in den USA. Als die Kommission an das
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117