Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Page - 100 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 100 - in Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“

Image of the Page - 100 -

Image of the Page - 100 - in Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“

Text of the Page - 100 -

100 Westphalen kam dann zum eigentlichen Gegenstand seiner Darstellung – den unterschiedlichen gesellschaftswissenschaftlichen Schulen österreichischer Pro- venienz, von denen er vier ausführlicher behandelte, nämlich den Austromarxis- mus, die Ganzheitsphilosophie Othmar Spanns, die Wiener Schule der Ethnolo- gie und die Wiener Schule der Nationalökonomie.6 Es ist wichtig, sich hier den Unterschied von Schulen und Disziplinen klarzu- machen, weil daraus die Spezifika von „Sozialwissenschaften“ im damaligen Ver- ständnis deutlich werden. Sozialwissenschaftliche Disziplinen grenzen sich in der Regel durch thematische Fokussierungen voneinander ab; Konflikte finden inner- disziplinär statt und werden häufig um methodologische Fragen geführt. Schulen vertreten dagegen eine theoretische Position, die – zumindest auf allgemeiner Ebene – alle Aspekte von Gesellschaft zu erklären beabsichtigt. Konflikte finden zwischen Schulen statt und drehen sich hauptsächlich um normative Fragen: Wel- che Gesellschaftstheorie die richtige sei. Der Umstand, dass Westphalen seine Darstellung auf Schulen konzentrierte, zeigt den zentralen Verständnisunterschied zwischen der US-amerikanischen Wissenschaftsorganisation und den an österreichischen Hochschulen verankerten Sozialwissenschaften. In Österreich waren die erkenntnistheoretischen Zugänge zur Erfassung gesellschaftlicher Verhältnisser nach weltanschaulicher Perspektive organisiert. Hier standen mehrere weltanschaulich eingefärbte Schulen nebenein- ander, innerhalb derer gesellschaftstheoretische Themengebiete (wie eben Politik, Ökonomie, Kultur etc.) behandelt wurden.7 In den USA hingegen standen schon damals Disziplinen (wie Soziologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft) mit jeweils sehr klar begrenzten Themenfeldern nebeneinander, innerhalb derer es dann zu Schulbildungen kommen konnte. Es ist leicht einzusehen, warum Disziplinen gegenüber Schulen in den USA eine stärkere wissenschaftsorganisatorische Verankerung erhalten konnten: In dem Land gab es einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Dagegen standen in Österreich verschiedene Gesellschaftstheorien politisch miteinander in Konkur- renz. Schulen waren die vorherrschende Organisationsform der Sozialwissen- schaften. Das wurde durch die Hochschulorganisation noch verstärkt, wo For- schungsgebieten eher lose Lehrstühlen zugeordnet waren. Die verschiedenen Themenbereiche, nicht nach US-amerikanischer Weise disziplinär eingegrenzt und umhegt, ergaben sich aus den Fragestellungen, die in Hinblick auf gesell- schaftliche Entwicklungen aufgeworfen wurden. Wir können daraus schlussfolgern: Was heute als sozialwissenschaftliche Dis- ziplinen bekannt, war für die wissenschaftlichen Akteure in Österreich in den 1950er Jahren nicht in ihr eigenes Denkschema übersetzbar – was erklärt, warum Westphalens Text sich heute so verwirrend liest. Im besten Fall konnte Westpha- len Disziplinen als thematische Facetten behandeln, die dann jede Schule unter- schiedlich gewichtete und in ihrem Gesamtschema zusammensetzte. So definierte er, um auf die vorhin aufgeworfene Frage zurückzukommen, die Soziologie ent- sprechend „as a social science in its most general sense“, was dem weltanschau- lichen Schema der ganzheitsphilosophischen Schule, der er sich selbst zuordnete, entsprach:
back to the  book Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich - Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“"
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Subtitle
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Author
Thomas König
Publisher
StudienVerlag
Location
Innsbruck
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-7065-5088-8
Size
15.8 x 23.9 cm
Pages
190
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Geleitwort 7
  2. Vorwort 11
  3. 1. Einleitung 13
    1. Die Entstehungsgeschichte des Fulbright Program 14
    2. Zur Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung 18
  4. 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
    1. Der Wissenschaftsbetrieb in der frühen Zweiten Republik 29
    2. Die Kommission im Vergleich mit anderen Förderinstitutionen 35
  5. 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
    1. Hochschulautonomie als Wille und Vorstellung 42
    2. Fulbright Grantees – mehr als eine Frage der Definition 49
  6. 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
    1. Herkömmliche Verfahren des Austausches 62
    2. Debatten über US-Visiting Lecturers 66
  7. 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
    1. Weiche Kriterien der Auswahl 74
    2. Der Platzierungsvorgang 82
    3. Die platzierten Gäste 90
  8. 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
    1. Zur Semantik von Social Sciences und American Studies 98
    2. Wissenschaftliche Transferleistungen 106
    3. Institutionelle Innovationen (und ihre Verhinderung) 111
  9. 7. Schluss 117
    1. Anhang: USEC/A Fulbright Visiting Lecturers und Research Scholars 122
    2. Anmerkungen 137
    3. Verzeichnis der Darstellungen 164
    4. Quellen und Literatur 165
    5. Abkürzungsverzeichnis 176
    6. Index 177
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich