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110 wenn er auf einem derart konservativ gepolten Feld agierte, was zu einer spe-
zifischen Mischung aus Anpassungsdruck und Innovationswille geführt haben
muss.38
Schon ab Ende der 1950er Jahre war in vielen Bereichen der Sozialwissen-
schaften die Übernahme US-amerikanischer Standards und Normen festzustel-
len. Da es aber an geeigneten und prädestinierten Institutionen zur Übertragung
des Know-hows fehlte, kam es häufig zu handgestrickten Lösungen in der Form
von „Barfuß“-Forschung.39 Das bewies sich schon relativ früh – um nur ein kon-
kretes Beispiel zu nennen – in der modern anmutenden Form von politischer
Beratungstätigkeit. Die für Österreich typische parteipolitische Zweiteilung blieb
dabei aufrecht. Aber es war kein Zufall, dass bei allen sonstigen politischen wie
erkenntnistheoretischen Differenzen zwei Institute, die sich des neuen Flairs wis-
senschaftlicher Expertise bedienen wollten, in ihrem Titel den Begriff Sozialwis-
senschaften besetzten.40
Bei den Grantees, die American Literature unterrichteten, sehen wir eine
andere Entwicklung. Es handelte sich hier um eine große Gruppe. Sie waren Teil
jenes erfolgreichen Unterfangens, über das der Amerikanist Sigmund Scard in
seinem vergleichenden Überblick zu American Studies in verschiedenen europäi-
schen Ländern schon Ende der 1950er Jahre festgehalten hat: „Seen as a whole, the
efforts to establish American Studies in Austria are impressive.“ (Scard 1958, 416)
Tatsächlich ist für die Nordamerika-Studien, wie sie hierzulande auch häu-
fig genannt wurden, wachsendes Interesse an Österreichs Hochschulen in den
1950er Jahren zu erkennen (Grandner/Bader-Zaar 2000). Möglich war dies, weil
es Institutionen gab, die sich für internationale Anknüpfung offen zeigten. Das
Dolmetsch-Institut der Universität Wien, vor allem aber das eigens gegründete
interfakultäre Institut für Amerikastudien an der Universität Innsbruck bauten ab
1956 enge Kontakte zur Fulbright Commission auf, und in den folgenden Jahren
wurde regelmäßig jeweils ein US-Visiting Lecturer an jedem der beiden Institute
platziert. Wie wichtig der institutionelle Bezugspunkt für die platzierten Gäste war,
wird aus folgendem Eintrag in einem Final Report ersichtlich:
„This institute [gemeint ist das Dolmetsch-Institut an der Universität Wien,
Anm. T. K.], undermanned and overworked, is probably the liviest part of
the University, which is generally so deteriorated in quality as to be beyond
hope of revival by its own effort. […] The point I wish to emphasise is that
the Dolmetsch Institut is the center of American influence and of interest in
America at the University and ought to have continued help.“41
Institutionelle Reform und Innovation waren nicht allein ausschlaggebend für bes-
sere Aufnahmebedingungen von Grantees. Es lag jedoch auf der Hand, dass darin
eine wesentliche Voraussetzung bestand, um die österreichische Wissenschafts-
landschaft in den Sozial- und Geisteswissenschaften wieder an internationales
Niveau heranzuführen.
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Subtitle
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Author
- Thomas König
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Size
- 15.8 x 23.9 cm
- Pages
- 190
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117