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Oswald Redlich (1858–1944) 47
mit Franzosenhass erfüllten Männern aus dem Westen des Reiches, die zum Teil „selber
halbe Franzosen“ waren : dem Freiherrn Franz Paul von Lisola, Karl von Lothringen,
schließlich dem strahlendsten aller österreichischen Helden, die keine Helden der Dynas-
tie waren – dem Prinzen Eugen80. Nur mit Hilfe dieser „großen Männer“ sei das Werden
der österreichischen Großmacht zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgt.
5.3 Und dennoch ein nationaler, idealer Habsburgerkaiser : Josef I.
Und doch blieb das Habsburgerbild Redlichs ambivalent. So wurde auch Leopold kon-
zediert, dass er „die Franzosen nicht mochte“, dass ein Rest des Reichsgefühls in ihm
weitergelebt und ihm ermöglich habe, die Ideen der „großen Männer“ an seiner Seite
aufzunehmen. Und so erschien und verschwand mit dem kurz regierenden Josef I. ein
Habsburgerkaiser ganz nach Redlichs Geschmack. Schon als Heranwachsender habe sich
Josefs Bewusstsein „aufsteigender Macht und Größe des Hauses Österreich“ mit „lebhaft
erwachendem deutschnationalen Geiste“81 erfüllt. Ausnahmsweise hätten die Jesuiten kei-
nen Einfluss auf seine Erziehung ausgeübt82. Nicht umsonst sei sein prägender Lehrer
Hans Georg Wagner gewesen, glühender deutscher Patriot und Verfasser des „Ehren-Ruff
Teutschlands“83. Gleichzeitig habe der Geist des Prinzips der Staatsräson im Sinne des Ab-
solutismus Josef durchdrungen, und dieses zu verfechten, habe er keineswegs nur in den
habsburgischen Erblanden, sondern vor allem auch im Reich getrachtet. Bald hätten die
Fürsten und die Reichsstände von Seiten des Kaisers eine „ungewohnte, energische, scharfe
80 Redlich, Geschichte (wie Anm. 60) 176f. Vgl. hierzu die Idee „großer Männer“ bei Friedrich Meinecke :
Diese, etwa der Freiherr vom Stein oder Wilhelm von Humboldt, seien zwar in ihren geäußerten Auffassun-
gen und Anschauungen noch ganz „weltbürgerlichen Auffassungen“ verhaftet gewesen, sowie der Idee eines
Gleichgewichtes der Mächte. In ihrem „Unterbewusstsein“ habe sich aber ein – der „deutschen Volksseele“
angeblich seit alters her innewohnender – „atavistischer“ Franzosenhass gestaut, der sich schließlich mit der
antifranzösischen Gesinnung des deutschen Volkes ab den Befreiungskriegen 1809 vermählt habe. Meinecke
verweist auf Steins Abneigung gegen Napoleon Bonaparte sowie auf Humboldts Erlebnisse angesichts dessen
Frankreichaufenthaltes inmitten der „Aufgeregtheit französischen Wesens“. Siehe Friedrich Meinecke, Welt-
bürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates (München 1908) 39–62.
Vgl. zur Thematik auch Daniel Schönpflug, Revolution und „Erhebung“. Friedrich Meinecke über 1789
und die deutsche Geschichte, in : Friedrich Meinecke in seiner Zeit. Studien zu Leben und Werk, hg. v. Gi-
sela Bock, Daniel Schönpflug (Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 19, Stuttgart 2006)
21–51.
81 Georg Schmidt wirft Josef I., fast in Anknüpfung an die Sybel-Tradition, „rein österreichische Gesinnung“ vor.
Er habe in Gebieten, die den „komplementären Reichs-Staat“ nichts angingen, in Italien also, zu expandieren
versucht, siehe Schmidt, Altes Reich (wie Anm. 71) 200f.
82 Redlich, Großmacht (wie Anm. 73) 37.
83 Ebd
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625