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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Seite - 54 -
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54 Johannes Holeschofsky als „Paradedisziplin“ nationalsozialistischer Geschichtsforschung angesprochen wurde112. Willi Oberkrome machte hierbei Redlichs Idee einer notwendigen Herrschaft des Deutsch- tums über das „primitive“ Slawentum verantwortlich. An diese These habe der methodisch konventionelle Redlich noch dazu die einer „Sendung Österreichs als christliches Bollwerk gegen Osten“ geknüpft. Wie weit trifft dieses Urteil zu ? Zum einen ist hier darauf hinzuweisen, dass es nicht den Typus eines „Redlich-Schü- lers als Volkshistoriker“ gibt. Otto Brunner113 zum Beispiel orientierte sich durchaus an Dilthey. In seiner kategorischen Leugnung eines römischen Einflusses auf das deutsche Mittelalter folgte Brunner dagegen der Mediävistik Georg von Belows und grenzte sich von Redlich ab, der hier eine erstaunliche Ähnlichkeit mit seinem alten Feind Alfons Dopsch erkennen lässt. Hermann Aubin dagegen, der auch den Redlich-Schüler und Volkshistoriker Adolf Helbok stark beeinflusste, bekannte sich bereits vor 1945 stark zu dem späten Karl Lamprecht und zu Wilhelm Wundt. Beide propagierten, von Herbert Spencers „Sozialdarwinismus“ ausgehend, eine „Parallelisierung“ von Entwicklungen im Tierreich und in der menschlichen Gesellschaft114. Redlichs Lieblingsschüler Steinacker schließlich, den Redlich vergeblich als seinen Nachfolger installieren wollte, verfolgte eine Doppelstrategie : Einerseits distanzierte er sich, durchaus im Sinne Redlichs, von einem „Reduktionismus“, der alles menschliche Leben durch deterministische, etwa „sozialdar- winistische“, Gesetze beschreiben wollte. Andererseits argumentierte er aber seit den 1920er Jahren biologistisch und huldigte de facto doch bald einem Primat biologistischer Vorstellungen – ein derartiges Primat hätte Redlich abgelehnt115. 112 Willi OBerkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deut- schen Geschichtswissenschaft 1918–1945 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 101, Göttingen 1993) 50f. Auch Karen Schönwälder, Historiker und Politik. Geschichtswissenschaften und National- sozialismus (Historische Studien 9, Frankfurt 1992) 101f., versuchte einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem „traditionellen Historismus“ und einer NS-Volksgeschichtsschreibung anhand eines österrei- chischen Umweges aufzuzeigen. Vgl. dagegen die Ansicht bei Friedrich Jaeger, Jörn Rüsen, Geschichte des Historismus. Eine Einführung (München 1992) 100f., der Historismus sei der NS-Geschichtswissenschaft strikt entgegengesetzt. Beide Auffassungen können meiner Ansicht nach nicht überzeugen, da es individu- ell verschiedene Wege methodisch und weltanschaulich konservativer und fortschrittlicher Historiker zum Nationalsozialismus gab. Sinnvoller scheint, das Paradigma eines einheitlich-starren „Historismus“ in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft von Ranke bis Meinecke überhaupt in Frage zu stellen. 113 Vgl., Reinhard Blänkner, Von der ‚,Staatsbildung“ zur ‚,Volkswerdung“. Otto Brunners Perspektivenwech- sel der Verfassungshistorie im Spannungsfeld zwischen völkischem und alteuropäischem Geschichtsdenken, in : Alteuropa oder Frühe Moderne. Deutungsmuster für das 16. bis 18. Jahrhundert aus dem Krisenbewusst- sein der Weimarer Republik in Theologie, Rechts- und Geschichtswissenschaft (Zeitschrift für Historische Forschung : Beiheft 23, Berlin 1999) 87–135 ‚ hier 113. 114 Vgl. Eduard Mühle, Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung (Düsseldorf 2005) 67f. Zu Helbok siehe den Beitrag von Martina Pesditschek in diesem Band. 115 Anna Schader, Harold Steinacker (1875–1965). Sein Weg in den Nationalsozialismus (ungedr. phil. Diss. Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
3
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
630
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
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