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Oswald Redlich (1858–1944) 61
jederzeit imstande sei, die Redaktion der MIÖG nach dem Ausscheiden des derzeitigen
Redakteurs zu übernehmen138. Zeißbergs Schilderung zielte eindeutig darauf ab, Redlich
gegenüber Ottenthal als innovativeren und vielseitigeren Kandidaten auszuweisen. Et-
was unklar bleiben die ursprünglichen Präferenzen Ottenthals. Susanne Lichtmannegger
meinte, dass Ottenthal von vornherein einen Verbleib in Innsbruck vorzog. Tatsächlich
waren Ottenthal und sein Tiroler Landsmann Redlich gut befreundet, was freilich auch
periodische Rivalität nicht ausschließt139.
8.4.2 IÖG-Direktion / Der Konflikt mit Hans Hirsch
Redlich amtierte zweimal als Vorstand des IÖG bzw. ÖIG, und zwar nach einem nicht
einmal einjährigen Intermezzo dann in den Jahren von 1926 bis 1929. Diese drei Jahre
scheinen von einem Autoritätsverlust Redlichs geprägt worden zu sein. Er verlor zuse-
hends an Einfluss gegenüber seinem Kontrahenten und ehemaligen Schüler Hirsch, der
sich offensichtlich auch dank seiner vorzüglichen Kontakte zur MGH in Berlin durch-
138 Kommissionsbericht (wie Anm. 132).
139 Siehe Susanne Lichtmanegger, Emil von Ottenthal (1855–1931). Diplomatiker in der Tradition Theo-
dor Sickels und Julius von Fickers, in : Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren
in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, hg. v. Karel
Hruza (Wien 2008) 73–97, hier 87, sowie Heinrich Fichtenau, Diplomatiker und Urkundenforscher,
in : MIÖG 100 (1992) 9–50, hier 38f. Tatsächlich schrieb Redlich an Mühlbacher, er und Ottenthal hätten
beteuert, dass sie nie gegeneinander in Konkurrenz treten würden. Bei all diesen Erläuterungen ist natürlich
stillschweigende Voraussetzung, daß Ottenthal immer in erster Linie steht, daß nur wenn er ablehnt ich in Betracht
komme und er in jedem Falle in diesem Vorschlag irgendwie als Erstberechtigter berücksichtigt wird. So haben
wir uns gegenseitig verständigt, eine Concurierung meinerseits ist selbstverständlich ausgeschlossen. IÖG-Archiv,
NL Engelbert Mühlbacher, Brief Redlichs an Mühlbacher vom 26.01.1892. Noch zwei Jahre zuvor hatte er
allerdings Ambitionen Ottenthals bezüglich Wiens sehr wohl registriert : […] daß es Ottenthal nicht um das
Gehalt, als vielmehr um eine Stellung geht, die zum Ordinarius führt, wird vielleicht trotz seiner persönlichen
Vorstellungen gar nicht so recht beachtet oder gewürdigt. Dazu kommt noch die entschieden vorhandene Idee
[Arnold] Bussons, […] [Ferdinand] Kaltenbrunner für das Mittelalter hineinzubringen, wodurch Ottenthal erst
recht kaltgestellt würde […] stellt sich das wirklich so heraus, wird ihm Wien jedenfalls willkommen sein. Ebd.,
Brief Redlichs an Mühlbacher vom 30.09.1890. Ottenthals Zukunft in Innsbruck schien bis ins Jahr 1892
auch durch die Rivalität [Ludwig v.] Pastors gefährdet. Vgl. Gerhard OBerkofler, Die geschichtlichen
Fächer an der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck 1850–1945 (Forschungen zur Innsbrucker
Universitätsgeschichte 6, Innsbruck 1969) 94f. Keinesfalls wolle Redlich, wie von Sickel beabsichtigt, eine
rein hilfswissenschaftliche Lehrkanzel antreten. Jedenfalls würde ich mir meine venia legendi für österreichische
Geschichte nach Wien übertragen lassen, wenn sie nicht schon bei meiner Ernennung übertragen werden kann.
Auch in einem früheren Brief sprach sich Redlich über die Historischen Hilfswissenschaften aus wie folgt :
[…] muß sagen, daß mich im Grunde die Beschäftigung mit der eigentlichen Geschichte mehr reizt als die Hilfs-
wissenschaften […] eine derartige Dozentur würde meiner Neigung also eher entsprechen. Ebd., Brief Redlichs an
Mühlbacher, 22.09.1885.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625