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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Oswald Redlich (1858–1944) 65 Srbik blieb Redlich allerdings antipreußisch und dem Hause Hohenzollern gegenüber skeptisch gesinnt. Aufgrund dieser zur Zeit der Jahrhundertwende schon anachronistischen, schwärme- risch-großdeutschen Sichtweise konnte Redlich keine konkrete politische Gebrauchsan- weisung zu den anstehenden gegenwartspolitischen Fragen des Verhältnisses Österreichs zu Deutschland gewinnen, er blieb in seinem Urteil unschlüssig. Während des Ersten Weltkrieges bejahte Redlich die Habsburgermonarchie, allerdings nur unter der Bedin- gung des „engsten politischen Zusammenschlusses mit Reichsdeutschland“. Nach 1918 wurde er zum entschiedenen Protagonisten des Anschlusses. Ab 1933 dagegen ging er zum Nationalsozialismus auf Distanz und bevorzugte im Zweifel den „Austrofaschismus“, ohne dabei jedoch zum Anhänger des politischen Klerikalismus zu werden. Ich vermute, dass gerade diese politische Zerrissenheit Redlichs seiner Stellung inner- halb der Wissenschaftspolitik sowie auch innerhalb der Historikerzunft zustattenkam. So war Redlich, wie schon seine Ernennung zum Extraordinarius als Sickel-Nachfolger 1893 zeigt, für offizielle Stellen der Monarchie und später des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes akzeptabler als radikalere Historikerkollegen. Andererseits bescheinigte selbst sein radikal nationalsozialistischer Schüler Bittner, Redlichs „nationales Empfinden“ sei für ihn stets außer Zweifel gestanden150. Methodisch ging Redlich bereits über die Tradition seines Lehrers Sickel hinaus, als er dessen diplomatische Methodik auf das Gebiet der Privatur- kunden ausweitete. Weitere Brüche mit der Tradition der österreichischen Variante des klassischen Historismus folgten, als Redlich Anregungen der von Dilthey inspirierten Biografik und Ideengeschichte im Sinne von Marcks und Meinecke aufnahm und eine Abkehr vom strengen Quellenpositivismus vollzog. Redlichs Berufung in Wien erfolgte nicht zuletzt aufgrund einer versteckten Opposi- tion des Instituts gegen Sickel bzw. dessen Lieblingsschüler Ottenthal. Dabei aber ging Redlich keineswegs bilderstürmerisch vor, sondern berief sich weiterhin auf seinen Lehrer. Neben einer österreichischen Tradition, Konflikte nicht offen auszutragen, dürfte hier auch Redlichs persönliche Haltung mit anzusprechen sein. Redlichs Konzilianz und sein starkes Gefühl der Verbundenheit gegenüber einer intergenerationellen österreichischen Historikergemeinschaft zeigte sich auch in der freundschaftlichen Haltung zu Ottenthal sowie in der Förderung, die Redlich seinen zahlreichen Schülern angedeihen ließ. Unter diesen fanden sich national und sozial radikalere Vertreter einer „biologistisch“ bzw. „ras- sistisch“ argumentierenden Historikerschule, die sich u. a. auf Lamprecht, Spencer und Wundt berief. Redlich distanzierte sich einerseits von dieser neuen Historikergeneration, machte aber andererseits auch selbst, im Unterschied zum klassischen, von Ranke grund- gelegtem Historismus, nicht mehr den Staat, sondern das „Volk“ zum Maßstab seiner his- 150 Bittner, Redlich (wie Anm. 1) 189.
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
3
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
630
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
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