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Ludo Moritz Hartmann (1865–1924) 69
kämpfte für die Erhaltung der Deutschen in Böhmen im „großen Vaterlande“ und nahm
1848 gemeinsam mit Robert Blum und Julius Fröbel an den Oktoberkämpfen in Wien
teil8. Dort entging Hartmann knapp der Festnahme und dem Schicksal Blums, der am 9.
November desselben Jahres aufgrund eines Todesurteils in Wien erschossen wurde. Mit
dem Frankfurter Rumpfparlament zog Hartmann nach Stuttgart und nahm anschließend
am Badischen Aufstand (1848/49) teil, nach dessen Niederschlagung er sich erst in der
Schweiz, dann in England und schließlich in Frankreich niederließ. Hartmann verdiente
seinen Lebensunterhalt als Auslandskorrespondent für zahlreiche Zeitungen und Zeit-
schriften, teils während der Krimkriege (1854). Seit 1860 hielt Hartmann an der Akade-
mie in Genf, wo er noch im selben Jahr Bertha Roediger (1839–1916) heiratete, Vorle-
sungen über deutsche Literatur. 1863 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde in
Stuttgart Redakteur der Zeitschrift „Freya“9. Nach der 1867 erlassenen Generalamnestie
kehrte er 1868 nach Wien zurück und wurde Redakteur in der „Neuen Freien Presse“ in
Wien10. Dort starb Moritz Hartmann im Jahr 1872 nach längerem Leiden.
Die Erziehung Ludo Hartmanns lag nun in den Händen seiner Mutter, die aus einer
protestantischen Familie aus Hanau stammte, die in Genf im Exil lebte. Ihr Vater, Lektor
und Kantor der Wallonisch-Niederländischen Kirche und Leiter einer Privatschule, musste
Hanau verlassen, nachdem er neben seinem Einsatz für religiöse und soziale Toleranz an der
Badischen Revolution von 1848/49 teilgenommen hatte11. In Wien war Bertha Hartmann in
die intellektuellen Kreise ihres Ehemannes aufgenommen worden und eben diese Kreise von
Gelehrten und Künstlern unterstützen sie und ihren Sohn in den folgenden Jahren. In der
Gedenkschrift an seine Mutter erwähnte Hartmann unter anderem die Familien von Wert-
heimstein und Gomperz ebenso wie Theodor Billroth, Ernst von Fleischl, Otto Hirschfeld,
Thomas Masaryk, Otto Benndorf, Joseph von Arneth, Adolph Exner und Julius Glaser12.
Noch vor seinem Tod hatte Moritz Hartmann den reichsdeutschen Politiker und Abgeordne-
ten Ludwig Bamberger und den Wiener Bankier Leopold von Lieben als weitere Vormunde
seines Sohnes bestimmt13. Hartmanns Mutter richtete ihre Erziehung dahingehend aus, das
Erbe ihres Mannes in dessen Wertesystem zu bewahren und an ihren einzigen Sohn weiterzu-
geben14. Dieses Wertesystem bestand zum einen in den Forderungen der bürgerlichen Revo-
8 Fellner, Bürgertum (wie Anm. 2) hier 85 ; Unterhumer, Freiheit (wie Anm. 4) 15f.
9 Wilmont Haacke, Art. „Hartmann, Moritz“ in : NDB 7 (1966) 737f.
10 Vgl. „Hartmann, Moritz“ (wie Anm. 6) 377.
11 Ludo Moritz Hartmann, Das Andenken der Mutter. Zur Erinnerung an Bertha Hartmann für ihre Freunde
aufgezeichnet von ihrem Sohne (Wien 1917) 3–5.
12 Stephan Bauer, Ludo M. Hartmann als Mitbegründer der Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsge-
schichte, in : VSWG 18 (1925) 335.
13 Hartmann, Andenken (wie Anm. 11) 20, 23.
14 Der ältere Bruder Heinrich verstarb nur wenige Monate nach Ludo Moritz Hartmanns Geburt im Alter von
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625