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Ludo Moritz Hartmann (1865–1924) 73
Übergangs vom Altertum zum Mittelalter in Italien zu, vor allem unter den Aspekten
sozial-, siedlungs- und wirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen. Hartmann, dessen
wissenschaftliches Werk über fünfzig Schriften in deutscher, lateinischer, italienischer
und englischer Sprache umfasst, veröffentlichte zahlreiche Editionen und Beiträge
zur italienischen Geschichte, insbesondere auch zur byzantinischen Verwaltung. Sein
Hauptwerk ist die nicht vollendete „Geschichte Italiens im Mittelalter“ in sechs Ein-
zelbänden (Band I–IV, 1, 1897–1915)36. Mit Italien beschäftigt sich auch die Mehrzahl
seiner Werke, wie etwa die Urkundensammlung „Ecclesiae S. Mariae in Vita Lata Ta-
bularium“ (1895), „Zur Wirtschaftsgeschichte Italiens im frühen Mittelalter“ (1904),
„Kurzgefaßte Geschichte Italiens von Romulus bis Viktor Emanuel“ (1924). Des Wei-
teren veröffentlichte er eine Biographie seines Lehrers Theodor Mommsen (1908) so-
wie einen methodischen Essay „Über historische Entwicklung“ (1905). Die Verbindung
spätantiker und frühmittelalterlicher Geschichte sowie die Einbeziehung oströmischer
und byzantinischer Quellen stellen ebenso Innovationen im historischen Schaffen Hart-
manns dar wie seine Auffassung von Geschichte und Geschichtsschreibung37 : Die Ge-
schichte des Menschen war für Hartmann ein „Ausschnitt aus dem Naturgeschehen“,
„ein Teilgebiet der organischen Entwicklungslehre“, eine Disziplin, die analog zu den
Naturwissenschaften nach Gesetzen sucht und sich als erklärende und nicht verstehende
Wissenschaft begreift38 : Es gibt Gesetze in der Geschichte, und sie lassen sich nachwei-
sen39. Mit diesem Ansatz reiht sich Hartmann in die moderne naturwissenschaftliche
Richtung seiner Zeit ein, die in der Folge den Nährboden des späteren Wiener Kreises
bildete40. Darüber hinaus betrachtete Hartmann die Geschichte evolutionistisch als eine
fortschreitende Entwicklung : „Die historische Entwicklung bewegt sich auf dem Wege
der Klassenkämpfe in der Richtung nach der Aufhebung der Klassen und auf dem Wege
der Staatenkämpfe in der Richtung der Aufhebung der Staatengesetze. Man mag diese
Entwicklungstendenz als historisches Assoziationsgesetz oder als Gesetz der fortschrei-
36 RieckenBerg, „Hartmann, Ludo Moritz“ (wie Anm. 31). Für eine detaillierte Schilderung Hartmanns als
Historiker siehe Günther Fellner, Ludo M. Hartmann als Historiker, in : Aufklärer und Organisator (wie
Anm. 2) 19–35.
37 Ebd. 20f., 24.
38 Ebd. 29.
39 Else Paneth, Ludo Hartmann (ohne Jahresangabe), aus dem Nachlass Ludo Moritz Hartmanns im HHStA,
Karton 1, Konvolut 10, abgedruckt in Unterhumer, Freiheit (wie Anm. 4) Anhang 6, 147–150.
40 Friedrich Stadler, Der Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im
Kontext (Wien 2015) hier 12 : Stadler zählt hier neben Ludo Moritz Hartmann Franz Brentano, Alois Höfler,
Wilhelm Jerusalem, Theodor Meynert, Christian von Ehrenfels, Kasimiersz Twardowski, Ludwig Boltzmann,
Emil Reich, Friedrich Jodl, Eduard Leisching, Anton Lampa, Rudolf Goldscheid, Carl Siegel, Heinrich Gom-
perz, Adolf Stöhr, Ernst Mally und Hans Thirring auf.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625