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Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
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Ludo Moritz Hartmann (1865–1924) 75 der den bewussten Willen als letzte Ursache des einzelnen Geschehens betrachtet“48. Diese Sichtweise wurde ihm von dem zeitgenössischen Soziologen Ludwig Gumplowicz hoch angerechnet, auch wenn dieser gleichzeitig eine von Hartmann konstatierte Gesetzmäßig- keit in der Geschichte stichhaltig kritisierte, da Harrtmann biologische Vorgänge in der Geschichte erkennen wollte, wie etwa „den Kampf ums Dasein in der organischen Welt“, dessen Wirkung „auf die Organisation der menschlichen Gruppen in ihrer Veränderung und Entwicklung“ er – unter dem Einfluss seiner naturwissenschaftlichen Weltanschau- ung –„zu betrachten und zu untersuchen“ forderte49. Als überzeugter Sozialdemokrat dem Fortschrittsgedanken bedingungslos ergeben, war Hartmann der Ansicht, dass die Organisation der Menschheit auf die Bildung von selbstständigen Nationalstaaten hinauslaufe, die die höchste Stufe der Völkerorganisa- tion darstellten. Nur der Nationalstaat könne „das exklusive Verbandsrecht primitiver Zeiten endgültig zu überwinden und die Grundlage für die Synthese der Zukunft zu bilden : die internationale Organisation der nationalen Einheiten der Kulturvölker“50. Bis aber das Ziel des geschlossenen Nationalstaats erreicht sei, würden die einzelnen Staaten eine Entwicklung durchmachen, die sich nebeneinander und gleichzeitig in den verschiedensten Staatengebilden manifestiere. Jene Staaten, die sich noch in dieser Ent- wicklung befanden, bezeichnete Hartmann als Rudimente und verglich sie mit mittelal- terlichen Reichen, die aus verschiedenen Nationalitäten der Unterworfenen zusammen- gewürfelt seien und, aus Eroberung entstanden, immer noch nach weiterer Expansion trachteten. Großbritannien mit seinem überseeischen Imperium stellte für ihn den In- begriff imperialistischer, zurückgebliebener Staatenbildung dar51 ; im zaristischen Russ- land sah er „den schlimmsten Feind der Unabhängigkeit und Freiheit der eigenen wie der fremdstaatlichen Nationen. Russland ist, wie auch das mittelalterliche karolingische Kaisertum, auf Eroberung um der Eroberung willen aufgebaut und durch den von der Orthodoxie geheiligten Zarismus zusammengehalten“52. Diese Ansichten Hartmanns illustrieren seine epochenübergreifende Geschichtsauffassung sowie die Stringenz seiner historischen und politischen Ansichten ; gleichzeitig standen sie im Widerspruch zu den Auffassungen des Historismus, der an den damaligen Universitäten und Forschungs- 48 Ludo Moritz Hartmann, Gesetz und Zufall, in : Ders., Über historische Entwicklung (wie Anm. 41) 7. 49 Ludwig Gumplowicz, Historiker als Geschichtsphilosophen, in : Österreichische Rundschau 5 (1905–1906) 151–167, hier 161 ; diesem Urteil Gumplowicz’ schloss sich auch an Albert Fuchs, Geistige Strömungen in Österreich, 1867–1918 (Wien 1949) 108f.: „… Nicht ganz auf derselben Höhe wie der Historiker steht Hart- mann der Geschichtsphilosoph. Man muß froh sein, dass jener von diesem relativ wenig beeinflußt wurde.“ Für die Originalzitate vgl. Hartmann, Der Kampf ums Dasein (wie Anm. 45) 37f. 50 Hartmann, Der Krieg in der Weltgeschichte, in : Zur Zeit- und Weltlage 3 (Wien 1915) 25. 51 Ramhardter, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 2) 161f. 52 Hartmann, Krieg (wie Anm. 50) 21f.
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Österreichische Historiker Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
Titel
Österreichische Historiker
Untertitel
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
Band
3
Autor
Karel Hruza
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20801-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
630
Schlagwörter
Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
  2. Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
  3. Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
  4. Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
  5. Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
  6. Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
  7. Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
  8. Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
  9. Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
  10. Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
  11. Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
  12. Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
  13. Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
  14. Abkürzungsverzeichnis 607
  15. Abbildungsnachweis 610
  16. Personenregister 611
  17. Autorinnen und Autoren 625
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