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94 Celine Wawruschka
Jahren festsetzte, im Jahr 1919 ein Ende bereitet138. Nach dem Wahlsieg der christlichso-
zialen Partei in Österreich und dem Rückzug der sozialdemokratischen Partei aus den
Regierungsgeschäften legte Hartmann sein Amt als Gesandter Deutsch-Österreichs im
November 1920 zurück139. Fortan war er von Dezember 1920 bis zu seinem Tod Mitglied
des Bundesrates für die Sozialdemokratische Partei140, wobei er sich jedoch in seinen letz-
ten Lebensjahren vorwiegend der Wissenschaft widmete141.
Am 14. November 1924 erlitt Ludo Moritz Hartmann einen Schlaganfall und verstarb
im Alter von nur 59 Jahren an den Folgen seines „ungemäßen Nikotingenusses“. Er wurde
drei Tage später am Döblinger Friedhof in Wien unter großem öffentlichen Andrang
sowie in Anwesenheit von Regierungsvertretern Österreichs und Deutschlands, diversen
sozialdemokratischen Parteiorganisationen, sämtlichen Volksbildungsverbänden, dem
Professorenkollegium der philosophischen Fakultät und dem Dekanat der Universität
Wien sowie „seiner reichsdeutschen Freunde“ feierlich beigesetzt142.
7. zusammenfassung
So widersprüchlich die Person Hartmanns aus heutiger Sicht erscheinen mag, so stimmig
erscheint sein vielfältiges Engagement als Historiker, Volksbildner und Politiker unter
dem Anspruch originärer sozialdemokratischer Werte. Seine Mitwirken in der Gründung
und Führung diverser Vereine und Gesellschaften und seine mannigfaltigen Publikations-
tätigkeiten – wissenschaftlich, populärwissenschaftlich sowie politisch – belegen allesamt
seinen Einsatz für Aufklärung und Bildung ungeachtet der Klassenzugehörigkeit und des
Geschlechts, seiner Überzeugung von der Bedeutung wirtschaftlicher Aspekte in der Ver-
gangenheit wie in der Gegenwart sowie der Notwendigkeit einer demokratischen Re-
gie rungsform. Die historischen Werke Hartmanns sind aufgrund seines wirtschaftsge-
schichtlichen Ansatzes und der Ablehnung klarer Epochenübergänge von der Spätantike
zum Frühmittelalter sowie der Einbeziehung von Quellen verschiedener Kulturräume aus
forschungsgeschichtlicher Sicht keineswegs obsolet, inhaltlich jedoch entwickelten sich
Quellenlage und Methodenapparat in den letzten hundert Jahren beträchtlich weiter, wes-
138 Günther Sandner, Sozialdemokratie in Österreich. Von den Anfängen der Arbeiterbewegung zur modernen
Sozialdemokratie (Wien 2012) 24.
139 Deutsche Allgemeine Zeitung, 23.11.1920, Berlin.
140 Oswald Knauer, Das österreichische Parlament von 1848–1966 (Wien 1969) 214 ; Stein, Hartmann (wie
Anm. 14) 317.
141 Ein großdeutscher Patriot. Ludo Moritz Hartmann gestorben, in : Tagblatt, 18.11.1924, 1–2, hier 2.
142 Ludo Hartmanns Begräbnis, in : Arbeiter-Zeitung, 18.11.1924, 6 ; Das Begräbnis von Ludo Hartmann, in :
Frankfurter Zeitung, 865, 18.11.1924.
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Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 3
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20801-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 630
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Österreichische Historiker 1900–1945. Einleitung und Kommentar zum dritten Band 9
- Oswald Redlich (1858–1944). Historiker über oder zwischen den Parteien ? 29
- Ludo Moritz Hartmann (1865–1924). Geschichtsschreibung im Lichte der frühen Sozialdemokratie Österreichs 67
- Hermann Wopfner (1876–1963). Der „treueste Sohn Tirols“ 97
- Hugo Hassinger (1877–1952). Volkstumsforscher, Raumplaner, Kartograph und Historiker 123
- Hans Uebersberger (1877–1962). Eine Gratwanderung : (S)eine Karriere im Fokus privater und öffentlich-beruflicher Spannungen 157
- Adolf Helbok (1883–1968). „Ich war ein Stürmer und Dränger“ 185
- Camillo Praschniker (1884–1949). Wiedergewinnung aus der Zerstörung 313
- Balduin Saria (1893–1974). „Ein deutschsprachiger Sohn der Untersteiermark“ 379
- Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904–1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität 405
- Otto Brunner (1898–1982). „Nicht der Staat, nicht die Kultur sind uns heute Gegenstand der Geschichte sondern Volk und Reich.“ 439
- Richard Wolfram (1901–1995). „Wir haben einen Stern, dem wir gefolgt sind“ 479
- Taras (von) Borodajkewycz (1902–1984). Zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus : Der Versuch, das Unvereinbare zu verbinden 527
- Abkürzungsverzeichnis 607
- Abbildungsnachweis 610
- Personenregister 611
- Autorinnen und Autoren 625